Ehemänner
sie darum gebeten hatten. Sie brauchten jemanden, der die Weberinnen vertrat und sich dafür einsetzte, dass sie ihre Stoffe besser verkaufen konnten. Sie hatte nicht studiert, um sich wie so viele andere irgendwohin abzusetzen, wo sie niemand brauchte. Als sie fortgegangen war, hätte sie am liebsten für immer das Weite gesucht. Doch da gab es noch ihre Mutter, die wie ihr Gewissen war, und da war Juana als ewig mahnende Erinnerung.
Sie kehrte heim zu ihnen, zu sich selbst und an den Fluss. Sie kehrte heim, um dort zu heiraten. Einen Mann, der eher klein von Wuchs war, so wie sie, ein Amuzgo wie sie, der vor dem gleichen alten Brauchtum geflohen war wie sie. Gefunden hatte sie ihn in Acapulco. Sie hatten sich gesehen, waren Freunde geworden und dann Studienkollegen an der Universität. Am Ende kehrten sie gemeinsam in ihre Heimat zurück, ohne Furcht und mit der seltenen, aber leuchtenden Zuversicht nur weniger.
Tee für drei
Es gibt Menschen, die sich zur rechten Zeit, andere, die sich zur Unzeit und wieder andere, die sich die ganze Zeit über lieben. Letzteres war der Fall bei Carmen und Guillermo.
Zu Anfang der fünfziger Jahre galt Guillermo als Erbe eines der reichsten Männer der Stadt. Der einzige Neffe eines in sich gekehrten, traurigen Junggesellen, der nur drei Schwestern hatte. Zwei unverheiratete und eine, die zufällig und eher kurz mit einem Mann verheiratet war, dem es noch eben gelang, ihr einen Sohn zu bescheren, bevor ihn eine irrtümlicherweise als harmlose Magenübersäuerung diagnostizierte Gallenkolik dahinraffte.
Nachdem sein Vater gestorben war, richteten sich die Blicke des Onkels, der Mutter und der Tanten mit der ganzen Ehrerbietung derer auf ihn, die fest davon ausgingen, dass die gesamte Verantwortung ebenso wie das Vermögen, das unter anderen Umständen unter mehreren aufgeteilt worden wäre, nun ihm allein zufielen. Hinsichtlich des Nachnamens González beließen sie es lediglich bei dem »G« und veredelten das »Garza« zu einem »De la Garza«.
So wurde er in dem Bewusstsein erzogen, der Garant für die Verewigung des Namens einer Familie zu sein, die reich war und sich schon deshalb für königlich hielt. Ihr kleiner Betrieb bestand aus drei Getreidemühlen, fünf Textilfabriken und zehn Läden; hinzu kamen hunderttausend Meter Land, auf denen sich allmählich eine Stadt ausbreitete, und eine Hazienda von tausend Hektar unweit des Pico de Orizaba. Kein Tag verging, ohne dass die Seinen ihm nicht mindestens zweimal einschärften, wie sehr er ein solches Vermögen zu achten und in Ehren zu halten habe.
Seine gesamte Kindheit über stand der Ärmste ständig unter Druck. Man erwartete alles von ihm, außer dass er zu einem unansehnlichen, schüchternen jungen Mann heranwachsen würde. Bereits mit dreizehn wirkte er frühzeitig gealtert mit seiner Adlernase, seinen blassen, ausdruckslosen Augen, und mit kaum zwanzig waren seine Lippen nur ein verlorener Strich ohne Reiz oder Konturen, während seine Schultern müder herabhingen als bei einem Erwachsenen.
So schickten sie ihn auf die Feste der kleinen Gesellschaft, in der sie sich bewegten, und nicht wenige Mütter trachteten ungeachtet seiner erbärmlichen Gestalt danach, ihn mit einer ihrer Töchter zu verheiraten. Doch nur eine der jungen Damen war bereit, während eines Landausflugs am Fuße eines erloschenen Vulkans, den sie die Schlafende Frau nennen, auf ihn zuzugehen.
An einen Baum gelehnt, beobachtete Guillermo gerade voller Grauen das muntere Treiben. Unter diesen Menschen würde er den Rest seiner Tage zubringen müssen, denn er hatte nicht den Mut, das Familienerbe auszuschlagen. Es anzunehmen aber verpflichtete ihn dazu, in dieser Welt zu leben, sich mit ihr zu arrangieren und obendrein eine gute Figur zu machen, was ihm sowieso nie gelingen würde. Sport war ihm zuwider, ebenso wie unsinniges Geplauder, bei dem man sich auch noch interessiert geben musste.
Das Mädchen, das sich ihm zwanglos näherte, hatte einen anmutigen Körper, kräftige Beine und breite Hüften. Nur ihre Nase war ein wenig klobig geraten. Ihr Blick war trotz eines Anflugs von Schalk in den Augenwinkeln eher der einer reiferen Frau, und in ihrer Stimme lag ein merkwürdiger Unterton. Sie trug einen Rock mit dunklem Blumenmuster und eine Bluse aus einer anderen Zeit. Bei den Schuhen konnte man rätseln, von welcher Verwandten sie stammten, und das Handtäschchen mit Perlenstickerei hätte vielleicht auf eine Hochzeitsfeier gepasst, aber
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