Ehemänner
nicht auf einen Landausflug.
»Vor hundert Jahren war einer deiner Urgroßväter der Liebhaber meiner Urgroßmutter«, sagte sie zu ihm. »Einen Teil unseres Weges sind wir also schon gegangen.«
Guillermo hörte ihr mit allergrößtem Erstaunen zu. Der Begriff »Liebhaber« war in Puebla mindestens so verpönt wie »Hure«, und normalerweise hätte keine Frau es gewagt, ihre Urgroßmutter als Hure und folglich ihre Großmutter als Bastard zu bezeichnen.
Entgegen allen Erwartungen war er geradezu entzückt von ihr. Sie hatte zwar keine Ahnung, wie man sich frisierte, und ihre Zähne standen schief, aber er hatte Lust, mit ihr zu reden, mehr als mit jeder anderen.
»Wenn das nur wahr wäre«, sagte er und löste sich von dem Baum, an dem er gelehnt hatte.
Seiner Familie waren derlei Abenteuer kaum zuzutrauen, doch hatte er zu Hause die Kindermädchen, die in der Familie eine ähnliche Rolle spielten wie die Klatschpresse für die Königsfamilie, von einem Gespräch zwischen seinen drei Müttern erzählen hören, die in der ständigen Furcht lebten, der Charakter seiner unmittelbaren Vorfahren könnte auf Guillermo abfärben, was ihren Wunsch nach Enkeln als Ersatz für die Kinder, die sie nicht bekommen hatten, gründlich vereiteln würde. Wenn er geriete wie sie, jeder Berührung mit Fremden abhold, kaum gesprächig und wenig geneigt, die Kleidung abzulegen oder ein eigenes Haus zu beziehen, drohte ihre so sorgsam gepflegte, zwanzig Generationen währende Familientradition mit seinem Tod zu enden. Doch es gab noch die Hoffnung, dass er die Abenteuerlust seines Urgroßvaters Alberto geerbt hatte und den Familiennamen mit einer reichen Nachkommenschaft neu beleben würde.
»Ich kann mir kaum vorstellen, dass einer meiner Verwandten je eine Liebschaft gepflegt haben sollte. Wir sind viel zu phlegmatisch und lustlos.«
»Na ja, bei uns gibt es zwar keine Genies, aber im Bett sind wir recht eifrig und ehrlich bemüht.«
Sie blieben den ganzen Nachmittag zusammen und schlossen Freundschaft. Schon nach kurzer Zeit harmonierten sie wie ein altes Ehepaar. Wenn sie auch noch nicht so weit gegangen waren, unter einem Dach zu schlafen, planten sie doch ein gemeinsames Leben, erfüllt von einer Art nostalgischer Sehnsucht nach der Zukunft.
So stand es um ihre Gefühle, als Guillermos Familie die Sache herausfand und Zetermordio schrie. Die Tanten brachen in Tränen aus, der Onkel spuckte Gift und Galle, aus Höflichkeit nur in ein Taschentuch, und die Mutter erwog, ihren Sohn kurzerhand nach Europa zu entsenden, wo er sich auf die wenig erfolgversprechende Suche nach einem Investor begeben sollte.
Diese Idee wirkte erfrischend wie Mairegen auf den besorgten Familienrat. Als Guillermo pfeifend heimkam, denn seit kurzem hatte er das Pfeifen für sich entdeckt, obendrein lächelnd und mit einer fast aufrechten Haltung, stieß er auf den Familienrat mit seinem Schiedsspruch.
»Ich mag aber den europäischen Winter nicht«, war alles, was Guillermo hervorpresste.
Die Frauen bombardierten ihn mit einer Reihe von überschwänglichen Vorhersagungen, indes der Onkel entschied:
»So wird es gemacht!«
Drei Tage später bestieg Guillermo mit seinem Onkel ein Flugzeug.
Guillermo hatte Carmen zum Abschied versprochen, ihr ein Paar Kastagnetten, einen Schildpattkamm und eine Mantilla mitzubringen. Drei Dinge, die damals ein Mädchen, das einiges auf seine gute Herkunft hielt, vorweisen musste. Zu jener Zeit herrschte in Puebla noch die Vorstellung, Jungfrau zu sein und einen Steckkamm zu besitzen seien die wesentlichen Tugenden einer perfekten Ehefrau, so wie sie sich jeder ehrbare Mann für sein Schlafgemach wünsche.
An einem sonnigen Nachmittag landeten sie in Madrid. Tags darauf gingen sie zum Stierkampf, kauften lange Zigarren, und abends fand der Onkel ein Edelbordell, wo er den Neffen ablieferte wie einen kleinen Jungen im Süßwarengeschäft. An keiner der drei Unternehmungen fand Guillermo Gefallen. Weder am Stierkampf, noch an den Zigarren oder gar am Bordell, aber es war eine Form des Erwachsenwerdens, und mit seinen zwanzig Jahren wollte er die Erwartungen seines Onkels nicht enttäuschen. Nie hatte er etwas anderes getan, als seiner Familie zu gefallen, und das bereitete ihm eine Freude, die er nicht missen wollte. Zustimmung von anderen zu erhalten war die einzige Pflicht, die er im Leben kannte. Auf dieses Glücksgefühl würde er nicht verzichten, sosehr er sich auch nach Carmen sehnte. Mit großer Überwindung
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