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Ehemänner

Ehemänner

Titel: Ehemänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angeles Mastretta
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fülliger, und gut frisiert war sie auch nicht, aber sie hatte noch dieses leicht spöttische Lächeln, das nun messerscharf aufblitzte, als sie sah, wie er auf sie zutrat.
    »Du scheinst viel zu reisen«, sagte sie.
    »Und du scheinst gut geheiratet zu haben«, konterte er.
    »Zum Glück brauchte ich weder den Einsteckkamm noch die Kastagnetten, um einen passenden Mann zu finden.«
    »Der passende Mann war ich.«
    »Wer nicht hält, was er verspricht, verdient die Gunst der andren nicht. Und was du dieser hier einmal versprochen hast«, dabei zeigte sie auf sich, »hast du nicht gehalten.«
    Als Guillermo die Augen niederschlug, traf er auf den Blick des kleinen Mädchens, das ihn von oben bis unten musterte. Zunächst tat er, was jeder getan hätte: Er legte ihr eine Hand aufs Köpfchen und sagte, wie hübsch sie sei. Dann fuhr er mit der anderen Hand in die Hosentasche und zog einen Anisbonbon hervor.
    »Den mag ich nicht«, sagte die Kleine.
    »Aber ich«, sagte Carmen und streckte die Hand aus.
    Dieses banale Gespräch sollte Guillermo wochenlang den Schlaf rauben. In nur fünf Minuten war er dieser Frau erneut verfallen und lechzte wie kein anderer nach ihrer Gunst. Sie war nicht hübsch, das war bekannt, doch ihm wurde bei ihr ganz weh ums Herz.
    Wenn er sich in seinen Fabriken aufhielt, vertrieb die tägliche Arbeit seine Lustlosigkeit und die dunklen Gedanken ein wenig, doch schon auf dem Heimweg erschien ihm die Welt wieder vollkommen sinnlos, und eine tiefe innere Unruhe stimmte ihn düster.
    Einmal in der Woche kaufte Carmen auf dem Victoria-Markt ein. Hunderte von Händlern priesen dort auf dem Platz ihr Obst, ihr Gemüse und ihre Blumen an. Seit mehr als fünfzig Jahren war er als der Ort bekannt, wo man die besten Lebensmittel der Stadt erhielt. Doch zu der Zeit, in der diese Geschichte spielt, war der Marktplatz bereits reichlich schmutzig und heruntergekommen. Die Stände, die innerhalb der Gitter keinen Platz mehr fanden, hatten sich einfach in den umliegenden Straßen verteilt, wo sich vor allem Verkäufer von Kleidern und Ramsch so rasch vermehrten, dass ein heilloses Chaos entstand und für den Autoverkehr kein Durchkommen mehr war. Eben dort begegneten sie sich erneut. Es geschah nicht zufällig, denn unselbständig, wie Guillermo war, vertraute er sich immer noch seiner früheren Amme an, inzwischen eine alte Frau, die wie ein Schatten im Haus der Familie lebte und jedem, der es wünschte, ihr Ohr lieh. Trotz ihrer fünfundachtzig Jahre war sie noch rüstig genug, wohl ein Erbe ihrer tlaxcaltekischen Vorfahren, um regelmäßig selbst auf dem Markt die Gewürze und Obst für ihre Nachspeisen zu besorgen, mit denen sie die Familie täglich beglückte. Dort war sie Carmen einmal bei ihren wöchentlichen Einkäufen begegnet. Sie hatten sich begrüßt, sich nach dem gegenseitigen Befinden erkundigt, waren so ins Gespräch gekommen und hatten auch darüber geredet, dass die Garzas ihrer Meinung nach damals einen Fehler gemacht hätten, als sie den Jungen nach Madrid schickten, als wäre er nicht schon alt genug gewesen, um sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
    Das war an einem Mittwoch. Eine Woche später sagte Guillermo seinen Rundgang durch die Fabriken ab und wartete an dem Tor, wo die Türken ihre Spitzen und Stoffe verkauften. Hier fing er Carmen ab, als sie, plump an Gestalt, aber mit sanften Augen, dem Markt zustrebte. Keiner sah sie so wie er.
    »Schlaf mit mir«, bat er sie, als sagte er »guten Tag«.
    »Keine schlechte Idee«, erwiderte sie.
    Als hätte sie alles längst arrangiert, bat sie die Frau, bei der sie ihre Spitzenstoffe kaufte, aus denen sie ihre viel geschmähten Kleider selbst nähte, ihnen für eine Weile ihre Dachkammer zu überlassen. Carmen und sie hatten sich angefreundet, auch weil allein Carmen so anständig gewesen war, die Stoffverkäuferin zu sich nach Hause einzuladen, anstatt sie kaum zu grüßen wie die anderen, die in ihr nur die radebrechende Immigrantin mit merkwürdigem Gebaren sahen. Nein, Carmen behandelte sie fast so, als gehörte ihr der Iron Palace.
    Zwei Stunden hielt sich das Paar in der Mansarde auf, zwei Stunden, die ihnen wie fünf Minuten vorkamen. Beim Abschied lag ein Ausdruck auf ihrem Gesicht, als hätten sie so etwas wie den wissenschaftlichen Beweis für die Existenz von Zwillingsseelen geliefert. Wie würde es weitergehen? Wer konnte das wissen. Als Erstes mussten gleiche Bedingungen für beide geschaffen werden. Da Carmen verheiratet

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