Ehemänner
und ausgemergelt, mit engstehenden Augen und klobigen Händen. Nein! Camila war sich durchaus bewusst, dass ihr glänzendes Haar, ihre Augen wie die eines Vögleins, ihre langen Wimpern, ihre zierlichen Hände, ihre Stupsnase alles andere als gewöhnlich waren. Sie wusste auch, woher auch immer – vielleicht von ihrer Volksschullehrerin, die inzwischen zur Friedensrichterin in der Bezirkshauptstadt aufgestiegen war –, dass man Frauen nicht einfach verkaufen durfte wie Schweine oder Truthähne, auch wenn das bei ihnen seit jeher so Brauch war.
Er möge sie bitte nicht fortgeben, flehte sie erneut wie jemand, der um Wasser bittet, zum allergrößten Erstaunen derer, die sie für einen so guten Preis erwerben wollten. Der Vater schaute auf den Mann mit der Machete, sah den Blick seiner Frau, musterte seine erwartungsvolle Tochter – und lehnte ab.
In aller ihm zu Gebote stehenden Höflichkeit sagte er nein. Er erklärte, das Mädchen sei noch nicht reif zum Verkauf, noch zu klein und überhaupt weder gehorsam noch fleißig.
Der Mann mit der Machete und sein jüngster Sohn machten wortlos kehrt und verschwanden. Camila umarmte ihren Vater nicht, denn bei ihnen waren solche Dinge nicht üblich, aber sie segnete ihn mit einem dankbaren Blick und ging schlafen.
Noch bevor der Morgen dämmerte, weckte ihre Mutter sie lautlos. Vielleicht irrte sie sich ja, aber die ganze Nacht hatte sie nur gedacht, die Tochter müsse so rasch wie möglich verschwinden.
Der einen Verlockung hatte ihr Herr noch widerstanden, aber wer wusste schon, ob auch der nächsten. Zur Sicherheit holte sie das Mädchen aus dem Bett und machte sich im Schein des Halbmonds mit ihr auf den Weg. Sie unterhielten sich leise. Es flossen weder Tränen, noch machten sie viel Aufhebens. Camila lud sich schließlich die Webstöcke mit dem angefangenen Tuch und das dazugehörige Garn auf. Sie wollte nach Acapulco gehen, um dort am Strand zu weben. Sie wollte es machen wie die Männer, bevor ein neuer Antrag ins Haus flatterte. Ihre Mama war einverstanden. Der Friedensrichterin würde Camila, falls diese eine Hausnummer an der Tür hatte, einen Brief schicken, in dem sie ihr schildern würde, wie es ihr erging. Dort sollte ihre Mutter nachfragen und ihn sich vorlesen lassen.
Nachdem alles gesagt war, schaute die Mutter ihr nach, wie sie in der Sackleinenhose und dem Hemd eines ihrer Brüder und dem Hut eines anderen in ihren Plastiksandalen auf und davon stapfte. Sie lief sehr rasch, mit dem Gefühl, alles würde gut. Außer ihren Webstöcken hatte sie zwei fertige Blusen dabei, Tortillas als Proviant und die Pesos, die sie für fünf Servietten erhalten hatte.
Erst als die Mutter sah, wie sie sich entfernte, wurde ihr das Herz leichter. Denn selbst wenn man einen Mann liebte, wie sie ihren, konnte das nicht bedeuten, ihm immer und jederzeit zu vertrauen.
Camila marschierte fast eine halbe Stunde, bis sie die Hütte erreichte, in der Juana wohnte. Sie hätte einfach vorbeigehen können, aber sie riskierte es, hatte Juana ihr doch noch am Tag zuvor erzählt, ihre Eltern wollten das zweite Schwein schlachten und am nächsten Morgen verkaufen. Daher wähnte Camila Juana allein zu Hause, und so war es. Sie war gerade dabei, das Chaos auf dem Hof zu beseitigen. Den Truthähnen den Hals umzudrehen war noch leicht, aber ein Schwein zu schlachten war fast so, als stürbe man mit ihm. Camila wollte gar nicht erst dran denken. Ihre Eltern fragten sich, woher sie nur diese Zimperlichkeit hatte. Dem Geruch nach Blut ging sie möglichst aus dem Weg. Juana legte die Messer, die sie eben abwaschen wollte, auf den Boden und näherte sich dem Gebüsch, hinter dem sich ihre Freundin in Männerkleidung versteckt hatte. Sie lehnte ab. Das dürfe sie von ihr nicht verlangen, sie wolle Acapulco gar nicht sehen, und selbst wenn, es sei schon für sie bezahlt, und das könne sie ihren Eltern nicht antun.
Erst jetzt brach Camila in Tränen aus. Aber es war nicht zu ändern. Da machte sie sich auf den Weg.
Als sie in der Bezirkshauptstadt ankam, suchte sie die Friedensrichterin auf. Die begleitete Camila zum Bus und tat auf dem Weg durch die Stadt so, als wäre Camila ein Botenjunge. Sie holte Camila auch wieder ab, als diese zehn Jahre später heimkehrte in einer Bluse, die sie trug wie eine kostbare Fahne, denn sie wusste, dass diese Art von Handarbeit eine Kunst war.
Sie hatte ihr Jurastudium abgeschlossen und kam zurück, weil ihre Mutter, die Friedensrichterin und Juana
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