Ehemänner
einzig wahre Heimat. In einer Welt, die nicht die seine war, galt Carmen nicht als hübsch, doch in seiner Welt war sie die einzige Frau, die ihn interessierte.
Die Hochzeitsreise dauerte einen Monat, der beiden ziemlich lang wurde. In dem Dreieck, zu dem sie gehörte, fühlte die Ehefrau sich wie im freien Fall, ohne es sich erklären zu können; sie merkte nur, dass zwischen ihr und ihrem Gatten eine unüberwindliche Kluft bestand. Seine Gefühle kannte sie nicht, aber sie wusste, dass er sie traurig stimmte, und dass der Anblick seines nackten Körpers, der sie an eine Kröte erinnerte, ihr jede Lust vergällte. Sie bemühte sich gar nicht erst, ihn zu lieben. In Europa wusste niemand, dass er bedeutend war, keine Frau schenkte ihm sehnsüchtige Blicke, und niemand wäre auf die Idee gekommen, dass sie mit dem Schatz eines unbekannten Königreiches verheiratet war.
Traurig und mit hängendem Kopf kehrte sie von der Reise heim, begierig nach Trost, und sei es nur, um bestätigt zu sehen, was man munkelte und sie ohnehin wusste: Man hatte sie betrogen.
Hundert Monate und drei Geburten vergingen. Guillermos vier Ersatzeltern glaubten, ihre Gesichter in den Kindern wiederzuerkennen, wenn auch in einer etwas hübscheren Variante. Sie waren davon überzeugt, dass ihre Entscheidung, ihren Prinzen mit einer Schönheit zu paaren, genau die richtige gewesen war. Nun gut, sie war nicht eben schlau, eitel wie die Mode, stumm wie die Eitelkeit und völlig unerfahren in Fragen der Erziehung. Wenn die Kinder um etwas bettelten, wollte sie es ihnen nicht sofort geben, als wäre es ein Fehler, alles zu kriegen, was man will. Wenn das Thema aufkam, widersprach ihnen Guillermo, der immer verschlossener und einsilbiger geworden war, und gab seiner Frau ausnahmsweise einmal recht.
»Besser, sie lernen gleich, was sie irgendwann ohnehin lernen müssen«, setzte er bei Tisch einmal der Diskussion ein Ende, und alle wussten, wovon er redete. Es folgte bleiernes Schweigen, das zum Glück beendet wurde, als der Nachtisch kam. Die Kinder wollten von jeder Variante zwei, doch die Mutter erlaubte von dreien nur eine. Anders als sonst widersprach keiner mehr. Weniger Nachgiebigkeit täte allen gut, dachte Guillermo bei sich, und freute sich am Anblick seines am Tisch versammelten Nachwuchses. Zumindest dafür war er dem unbedarften Ding, das man ihm zur Frau gegeben hatte, aus tiefstem Herzen dankbar. Drei Kinder hatte sie ihm geschenkt. Eins für jede seiner Anstrengungen, sie zu lieben, als sei sie keine ihm fremde, in seinen Augen völlig glanzlose Schönheit. Doch er dankte es ihr weder mit Frieden noch mit Leidenschaft. Was hatte sie ihm auch groß zu bieten. Eine unerträgliche Situation, die allmählich für Gerede sorgte. Unter diesen Umständen musste eine Frau zwangsläufig erwachsen werden und erkennen, was sie längst ahnte, eigentlich schon seit sie gesagt hatte »ja, ich will«, und ihm Tränen in den Augen standen, sicher nicht vor Glück.
»In dieser Ehe sind wir drei«, erzählte sie ihrer Freundin, der größten Klatschbase, die die Stadt jemals gekannt hat. Im Nu war es im Viertel rund, und obwohl es eine Weile dauerte, kam es unweigerlich auch der Familie zu Ohren.
Guillermo traf sich immer noch regelmäßig mit Carmen. Zwölf Jahre war er schon verheiratet und liebte Carmen seit zwanzig.
Dann geschah es, dass Carmens Ehemann – niemand weiß, ob in der selbstlosen Absicht, nicht länger stören zu wollen – recht bald verschied. Er hinterließ Carmen sein kleines Schuhimperium und das Bewusstsein, eine außergewöhnliche Frau zu sein.
Carmen weinte um ihren Ehemann als ihren besten Freund und natürlich als Vater ihrer Tochter. Ohne allzu übertriebenes Trauergehabe brachte sie ihn unter die Erde, war dann aber doch überrascht, dass sein Verlust in ihrem Herzen ein derartiges Loch hinterließ, jetzt, wo sie ihre Nächte allein in ihrem Ehebett verbrachte. Das kostete sie mehr Tränen als Guillermos überstürzte Abreise nach Spanien, damals, als er sie hatte sitzen lassen. So bestätigte sich die Weisheit, dass man sein Glück erst zu schätzen lernt, wenn man es verliert. Zwei Jahre lang blieb sie der Mansarde fern. Diese Trauerphase widmete sie ihrem lieben Gemahl, und so hätte es jede Frau mit dem besten aller Ehemänner gehalten.
Guillermo konnte es nicht fassen; Trost fand er weder im Vorantreiben der Geschäfte noch an den Abenden beim Dominospiel oder auf seinen Reisen. Seine Frau hatte ihn noch an dem
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