Ehen in Philippsburg
Nur Harry Büsgen protestierte noch. Er hatte am meisten verloren, hatte auch wahrscheinlich mehr getrunken als alle anderen und saß nun bösen Blicks und mit geröteten Augen am Tisch, als alle anderen schon aufgestanden waren und nur noch Alwin am Tisch beschäftigt war, sein Spiel einzupacken und die Jetons nach Wert und Farbe fein säuberlich zu ordnen. Büsgen schimpfte wie eine alte Frau, der böse Buben einen Streich gespielt haben. Da kam Knut Relow noch einmal zurück und nahm ihn mit. Büsgen sei schließlich der reichste Junggeselle von Philippsburg und mache sich lächerlich, wenn er den paar Piepen nachheule. »Aber ich will gewinnen«, heulte Büsgen und hatte tatsächlich Tränen in den Augen. »Ein anderes Mal«, tröstete Relow und zwinkerte Alwin zu. »Nie, nie, gar nie gewinne ich«, heulte Büsgen. »Du hast eben zuviel Glück in der Liebe«, sagte Relow anzüglich und küßte ihn auf die Stirn, Büsgen sah zu Relow auf und lehnte dann seinen viereckigen Kopf an die silbern glänzenden Seidenrevers des Relowschen Smokings, der heute in feierlichem Violett gehalten war. Eng umschlungen gingen die zwei. Alwin folgte und war froh, daß die meisten Gäste schon weggefahren waren, als er in die Halle kam. Nur noch die Verlobten, Cécile, Claude und Ilse warteten. Alwin erkannte sofort, daß Cécile mit Büsgen fahren wollte. Er machte sie halblaut auf Büsgens Zustand aufmerksam und bot ihr an, sie in seinem Wagen mitzunehmen. »Vielleicht kann Herr Relow die zwei Herren heimbringen«, sagte er laut und zeigte auf Büsgen und Claude. Büsgen dürfe man nicht ans Steuer lassen in diesem Zustand. Dann verabschiedete man sich von den Verlobten. Hoffentlich hätten sie es nicht gar zu übel genommen, daß man noch ein bißchen gespielt habe, aber die Leute hätten einen geradezu gezwungen dazu, ob Herr Beumann denn wenigstens gewonnen habe, nicht, na ja, dann eben in der Liebe, und Anne, na bitte, und so viel, das sei ja ein guter Ausgleich zu Herrn Beumanns Verlust, eine ideale Ehe müsse das werden, hoffentlich bald, ja ja, jung gefreit, nicht wahr, und etwas Schöneres als die Ehe gebe es nun wirklich nicht, also alles, alles Gute und bitte die ergebensten Grüße an die verehrten Eltern, was, eine Übelkeit habe die gnädige Frau befallen, ach darum sei sie schon so früh gegangen, eben, man habe sich gewundert, weil sie ja sonst nicht die sei, die zuerst aufbreche, na dann eine recht gute Besserung…
Relow hatte es kürzer gemacht. Mit Claudes Hilfe hatte er Büsgen hinausgeschleppt. So waren Alwin und seine Frau die letzten Gäste geworden. Cécile wartete unter der Tür, bis Ilse Alwin ein Ende fand. Sie war in Abschiedsformeln schier unerschöpflich. Alwin gegenüber hatte sie einmal geäußert, beim Abschied habe man es in der Hand, welchen Eindruck man beim Gastgeber hinterlassen wolle, drei gute Sätze beim Abschied fruchteten mehr als ein ergebenes Betragen den ganzen Abend hindurch. Auf dem Weg zum Auto flüsterte Ilse: »Wieviel?« Alwin zischte zurück: »Jetzt warte doch!« Ilse kuschelte sich an ihn und flüsterte: »Bitte, bitte, wieviel?«
»Zirka hundertachtzig«, flüsterte Alwin zurück und sagte, ohne dazwischen Atem zu holen: »Hoffentlich hat Ihnen das Spiel auch ein bißchen Spaß gemacht, Cécile?«
»Ja, doch, es ist sehr interessant«, sagte Cécile vor sich hin.
Rechtzeitig war Alwin am Schlag, um Cécile einzulassen, Ilse wartete an der vorderen Tür, bis Alwin ums Auto herumlief, um ihr zu öffnen. Er hatte, nachdem er Cécile zum Rücksitz geleitet hatte, schon am Steuer Platz genommen, aber das hatte sich Ilse nicht gefallen lassen wollen. Und als sie sich jetzt ins Polster fallen ließ, sagte sie: »Man muß die Männer immer wieder daran erinnern, daß Ehefrauen auch Frauen sind.« Das war Alwin peinlich. Überhaupt, was hatte er jetzt von diesem Abend, von dieser ganzen Nacht! Die Fülle aller Möglichkeiten schrumpfte zusammen, und übrig blieb Ilse. Warum konnte er nicht zuerst sie nach Hause fahren und dann erst Cécile! Ach Cécile! Wenn die wüßte! Er hätte weinen können. Sicher war der Abend ein Erfolg für ihn. Man war aufmerksam geworden auf ihn, mehr als je zuvor. Endlich war ihm auch einmal ein gesellschaftlicher Sieg zugefallen. Aber was war das alles, wenn er jetzt heimmußte, wo sollte er seine Freude unterbringen, er war lebendig, war erregt vom Spiel, von den Augen, die eine Nacht lang an ihm gehangen hatten, aufs Gaspedal drücken, den
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