Eheroman (German Edition)
Bauch? Ava kann sich nicht konzentrieren. Sie weiß überhaupt nicht, wo das Problem ist.
«Das ist ja auch keine große Sache», sagt Danilo. «Wir gehen da hin und unterschreiben das und fertig.»
Sie starrt ihn an. Danilo hat sein Haar zur Seite gekämmt, es ist frisch gewaschen, die dunklen Locken glänzen im Sonnenlicht, seine Augen sind schmal und groß, wie riesige Pflaumenkerne, die Lippen leicht geöffnet über seinen großen Schneidezähnen, seine neue, schwarze Brille, als wäre er ein Mann aus dem Fernsehen, wichtig und klug, er sieht sie an und erwartet ihre Zusage. Nichts anderes. Und nichts anderes wird er zu hören bekommen.
«Warum willst du eigentlich mit mir zusammen sein?», fragt sie ihn, bevor sie antwortet, was er hören will.
«Ich liebe dich doch», sagt er flink und verwundert, als hätte das niemals auch nur eine Sekunde in Frage gestanden. Und hat es vielleicht auch nicht.
«Aber warum, Danilo? Warum denn? Was ist denn an mir, was du toll findest? Du kennst doch eine Menge Frauen, die wirklich viel besser zu dir passen würden, von deinem Studium und überhaupt.»
Danilo grinst. Das passt ihm gut, dass sie sich selbst in Frage stellt. Warum macht sie das? Weil es stimmt, weil sie eine Antwort auf die Frage braucht, die nichts mit Liebe zu tun hat. Liebe ist ihr gerade nicht wichtig, Liebe, dieses dumme, schwurbelige Gefühl.
«Die sind gar nicht so toll», sagt Danilo und lehnt sich im kleinen blauen Sofa zurück, lehnt den Kopf an die leicht schon zerfaserte Rückenlehne. «Die will ich doch gar nicht haben, die gehen mir nur auf die Nerven, so auf die Dauer.»
«Das ist doch aber nicht der Grund, dass die nerviger sind als ich, oder?»
Danilo schüttelt den Kopf. «Nein. Ich weiß es nicht, Ava. Du siehst natürlich auch gut aus. Ja. Doch. Und. Wir haben Merve. Und. Ich sagte doch schon, dass ich dich liebe.»
«Du sagst es, wie wenn du sagst, du studierst Philosophie. Und ich liebe dich. Bist du dir überhaupt sicher?» Das sagt sie, weil sie sich selbst nicht sicher ist. Was ist Liebe überhaupt? Wie fühlt sich das nach längerer Zeit überhaupt an, wenn man nicht mehr ständig nackig auf dem anderen liegt? Und es auch nicht mehr ständig will, aber beleidigt ist, wenn der andere es auch nicht mehr ständig will? «Mir wäre lieber, wenn du mich noch so toll finden würdest, anstatt mich so zu lieben, wie du es sagst. Das wäre mir lieber.»
«Wie toll soll ich dich finden?»
«Wie als du zwölf warst im Schuppen. Da fandest du mich toll, Danilo. Da war es jedenfalls klar, dass ich toll war. Jetzt ist es nicht mehr klar.»
Danilo schüttelt den Kopf. «Das ist doch normal. Ich bin erwachsen. Ich kenne dich schon ewig. Du bist doch keine Prinzessin mehr, außer vielleicht für deinen Vater.»
«Nein. Aber ich bin immer noch besonders», sagt sie und weiß, dass es so ist. Sie wusste es immer. «Ich bin eine besondere Frau, Danilo. Aber du denkst, ich habe Glück, dass du mich heiratest. Du denkst, es reicht, wenn du sagst, du liebst mich. Liebst du mich, ja? Vielleicht. Es ist mir egal. Es ist langweilig. Ich will, dass du auch mal siehst, wer ich bin. Ich habe keine Lust mehr, hier rumzuhocken und die Wände anzusehen und auf deine Arbeit Rücksicht zu nehmen und Babymerve zu betreuen. Ich habe keine Lust mehr, ich will irgendwie ein anderes Leben jetzt mal langsam.»
«Gib doch Babymerve in die Krippe und kehr ins Krankenhaus zurück oder mach was anderes. Ich halte dich doch nicht zurück, Ava. Gib mir doch nicht die Schuld.»
«Ich geb dir nicht die Schuld.»
«Es hört sich aber so an.»
«Ich kann nur Merve nicht in die Krippe geben.»
«Warum nicht?»
«Ich kann es nicht. Ich will, dass sie noch eine Weile hier bei mir ist. Sie ist noch ganz klein. Und ich müsste wieder so viel arbeiten und wäre kaputt, und du weißt doch, wie es ist. Das will ich nicht für sie.»
Danilo steht auf, den Stapel Papier in den Händen wie eine Bibel. «Was in aller Welt willst du dann, Ava? Was willst du?»
Ava atmet tief durch. Sie sitzt in der Falle. Sie sitzt hier in der Falle. Und zu allem Überfluss ist es ihre Schuld. Nicht Danilos. Danilo gibt sich Mühe, schreibt seine Magisterarbeit, liebt sie und will sie nun auch noch heiraten. Alles anständig, höchst anständig und ganz genau das Richtige, was er tut. Sie kann nachher Merve anrufen und sie ein bisschen wegen Mario ausfragen, was es Neues gibt, und vielleicht kann sie ihn doch mal wie zufällig treffen, also ihm
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