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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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vorsichtig die Tür, entkleidet sich im Wohnzimmer und schleicht sich dann in das atemstille Schlafzimmer. Merve liegt auf dem Rücken in ihrem Schlafsäckchen, die Decke zur Seite gestrampelt, und schläft mit dicken Backen, leise pustend, mit geöffnetem Mund, die Nase verstopft, sie hat Schnupfen. Danilo liegt auf seiner Seite des Bettes, die Bettdecke stramm gezogen, die Arme auf der Decke, gerade und ordentlich wie ein Soldat, wie er immer schläft. Vorsichtig steigt Ava auf ihrer Seite unter die Bettdecke. Dort durchdenkt sie alles. Sie durchdenkt, wie er war, Mario der Zauberer, was er sagte, und wie er sie ansah, wie er mit ihr tanzte und wie er seine Hand auf ihren Bauch legte. Sie legt ihre eigene Hand auf ihren nackten, weichen Bauch und schläft ein.

    «Ava, wir sollten heiraten», sagt Danilo und legt einen Stapel frisch ausgedruckten Papiers auf den kleinen, brüchigen Wohnzimmertisch. Es handelt sich um seine Magisterarbeit, und er hat lange dran gearbeitet. Draußen dröhnen Baufahrzeuge. Die Straße wird repariert. Durch das weit geöffnete Fenster dringt eine Ahnung von heißem Teer herein. Die Magisterarbeit war lange Thema. War Thema am Frühstückstisch gewesen, zwischen dunklem Brot und Fischpaste, wie sie Danilo gerne gegessen hat, Anchovispaste auf Ei, dazu dicken schwarzen Kaffee und das klebrig schwarze Brot. Ava nahm Müsli und antwortete matt auf Danilos Fragen, ermahnte Babymerve, die sie langsam nicht mehr so nennen wollten, sondern nur Merve, ohne Baby, dass sie die Bananen nicht mit den Fingern zermatschen soll und nicht auf die Tischplatte kleben. Ava hatte keine Ahnung von Danilos Studium. Danilo hielt auch mehr Selbstgespräche und redete und runzelte die Stirn und steckte sich Stücke von Brot mit Ei in den Mund. So viel Ei ist nicht gesund, aber Danilo glaubte ihr nicht. Die Magisterarbeit war Thema auch am Nachmittag, nach den Einkäufen in Ottensen, war Thema beim Abendbrot und war Thema sogar im Bett vor dem Schlafengehen. Danilo besprach sie mit Fadil, da ging es mehr zur Sache, denn Fadil verstand etwas davon und kommentierte und las und arbeitete fast schon für Danilo. Jetzt ist sie fertig und liegt auf dem Wohnzimmertisch mit der gespaltenen Tischplatte, das Holz zerborsten in der warmen Heizungsluft, billig und splitterig. Und jetzt findet Danilo, sie sollten heiraten. Ava denkt an Mario, der sich mal über Merve nach ihr erkundigt hatte, den sie aber nicht mehr sehen wollte. Warum nicht? Weil er gar nicht so toll gewesen ist. Nicht einmal toll ausgesehen hat. Nicht wie Danilo. Danilo sieht neben Mario toll aus. Danilo ist auch ganz sicher schlauer als Mario. Und größer und hat schönere Haare und kann ganz sicher viel besser bumsen. Kann jedenfalls. Früher.
    Babymerve kriecht unter dem Tisch herum, keucht und stöhnt und stößt sich öfter den Kopf und jammert schmerzlich auf. Sie bleibt aber dort unten, zu ihren Füßen, und stößt sich weiter. Sie liebt es unter dem Tisch, unter dem Bett, und stößt sich Beulen noch und noch. Sie kann längst laufen, aber sie kriecht weiterhin gerne. Sie arbeitet mit Händen und Füßen gleichzeitig. Sie ist ein haptischer Typ. Sie redet nicht viel.
    «Was sagst du?», fragt Danilo und streicht sein Papier glatt. Sein warmes, duftendes Papier. Seine Arbeit, sein Stolz. Und nun sie, seine Familie, sein Kind, seine Frau. Heiraten. Eines nach dem anderen.
    «Wieso jetzt gerade?», fragt Ava.
    «Die Zeit ist reif», sagt Danilo.
    «Wieso jetzt gerade?», fragt Ava wieder. Falls er denken sollte, ihr fällt nichts anderes ein, soll er es denken. Er denkt es sowieso. Er hält sowieso nicht viel von ihren geistigen Fähigkeiten. Die Frage sollte vielmehr heißen: «Warum?»
    «Ich habe mir das überlegt, Ava. Ich fühle mich alt genug. Ich weiß, wer ich bin, wo ich hingehöre und wie es weitergehen wird. Ich habe so meine Vorstellungen vom Leben. Und wieso sollten wir nicht heiraten? Ich kann doch nicht immer sagen, das ist meine Freundin. Es ist doch besser zu sagen, das ist meine Frau. Meine Frau. Meine Familie. Das klingt für mich richtig. Also, was sagst du?»
    Ava nickt. Wenn Danilo es so sagt, dann hört es sich richtig an. Natürlich, selbstverständlich gehört er zu ihr und zu Merve, und sie sind eine Familie. Nur, warum jetzt, wo die Magisterarbeit fertig ist? Was hat die Magisterarbeit mit dem Heiraten zu tun? Und mit dem Teergeruch und der Wärme, die durch die Fenster in das Zimmer dringt. Und Mario? Und ihr weicher

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