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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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begegnen einfach nur. Sie kann mit Merve durch die Stadt stolpern, einen Cocktail am hellen Nachmittag trinken, wieder gut aussehen. Das alles immerhin. Man muss sich abfinden. Man darf nicht undankbar sein. Man hat ein gesundes Kind. Du hast ein gesundes Kind, Ava. Sie sagt: «Ja, dann heiraten wir. Ist doch schön.»

    Sie heiraten still und ohne Aufwand im Altonaer Rathaus. Auf dem glatten, glänzenden Boden liegt ein abgerissener Blütenkopf von der vorherigen Braut. Ava überlegt, wie die blasslila Blume heißt. Aber sie kann lange überlegen, sie kennt überhaupt keine Blumen, sie vertrödelt ihre Zeit nur immer mit unnützen Dingen. Ihr Kleid ist so gehalten, dass sie es auch später wird anziehen können, ein hellblaues Etuikleid, nur wo zieht sie hellblaue Etuikleider an? Das hätte sie sich vorher überlegen sollen. Sie zieht überhaupt keine Etuikleider an, schon gar nicht hellblaue. Sie hätte auch gleich in einem Hochzeitskleid kommen können, wenn die nicht so teuer und so überflüssig protzig dahergekommen wären. Wenn man ganz allein heiratet, ohne Aufwand, so wie sie und Danilo, dann braucht man kein Brautkleid. Dann geht das hellblaue Etuikleid und ist eigentlich auch Blödsinn. Sie sieht herüber zu Danilo, der dem Mann lauscht. Danilo ist in einen Anzug gekleidet. Der Anzug ist von Fadil geliehen, er hat die gleiche Größe, er ist sehr elegant. Danilo sieht bestens aus. Merve steht mit tropfender Lippe neben ihr und starrt den redenden Mann an, die Lippe tropft, weil sie zahnt und dabei mächtig sabbert. Ava findet es ganz in Ordnung, dass sie so heiraten. Die Vorstellung, dass jetzt Ivana hier säße und Petra und die Mummi, gefällt ihr nicht. Wie müsste sie jetzt lächeln, und wie müsste sie gehen und den Kopf aufrecht halten und Danilo Küsschen schenken. Wie sie all dies müsste. Nein. Draußen auf den Treppenstufen war ihnen ein Paar entgegengekommen, strahlend im Blitzlichtgewitter. Die Braut war tagelang angemalt worden, ihr Gesicht sah aus wie in einem Magazin und die Haut wie aus Papier. Sie strahlte, und der Bräutigam strahlte. Sie freuten sich so. Sie schmissen die Freude den Leuten an den Kopf. Ava hatte erschrocken vor der Frau gestanden und war dann weitergegangen, in ihrem lächerlichen, günstigen hellblauen Etuikleid. Auf flachen Schuhen, neben einem geborgten Anzug. Das Kind sabbernd. Es ist nicht alles so, wie es aussieht. Manche Leute lachen auch und sind nicht glücklich. Nein. Manche Leute lachen auch und sind glücklich. Es ist nur ihr Neid. Aber Danilo hätte das nicht gewollt. Sie hätte es auch nicht gewollt. Wenn sie beide es nicht gewollt hätten, was ist dann das Problem?
    Der Mann stellt seine Fragen. Der Mann trägt einen beigefarbenen Anzug, sein Haar ist dünn und schwarz und teilweise auch grau, es liegt sehr luftig über einem glänzenden Schädel, dessen Oberfläche sichtbar durch das Haar hindurch glänzt. Er föhnt es sicher jeden Tag, weil er jeden Tag Leute traut und sich immer in feierlichen Umständen befindet. Was seine Frau über das Heiraten denkt? Was er darüber denkt? Heißen sie es gut? Sein weißes Hemd ist gebügelt, die Krawatte hat einen winzig kleinen Faden gezogen, knapp bevor sie in der Anzugjacke verschwindet. Seine Hand ruht eheberingt auf der anderen, die Handknochen dünn behaart wie sein Schädel, entspannt und der Mode fern. Sein ganzes Wesen geht in Pflichterfüllung auf.
    «Ja», sagt Danilo und sieht ihn an und nicht Ava.
    «Ja», sagt Ava und sieht ebenso den Mann an, denn er hat die Frage gestellt und nicht Danilo.
    Der Mann lächelt erleichtert und reicht ihnen die Papiere zur Unterschrift. Merve steht starr am Tisch, den Mund jetzt weit geöffnet, brav wie nie, und verfolgt jede matte Regung, während sie zwischendurch sanft in den Knien federt. Der Mann spricht seine Glückwünsche aus. Ava greift in seine Hand und denkt an die Haare auf seinen Handknochen, aber sie spürt nichts. Dann hebt Danilo Merve auf den Arm, sie verlassen die heiligen Hallen und treten auf die Lichtblitztreppe. Ein neues Paar hat sich drapiert. Ava und Danilo drängen sich vorbei. Die Braut ist fett. Das ist leichter zu ertragen. Auf ihrem fetten Gesicht ist zu viel Rot aufgepudert. Auch sie glücklich strahlend. Auch sie begeistert.
    Ava und Danilo laufen mit Merve in ihrer Karre zurück. Ava ist erleichtert, dass es vorbei ist. Sie reden nicht. Sie denken jeder für sich.
    Ava denkt sich, dass die Enttäuschung nicht so heftig wird, wenn die

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