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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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Heirat so blass ist. Die Fette und die Papiergesichtige werden ihr Wunder erleben, höchstwahrscheinlich noch heute, in der Nacht, wenn sie betrunken sind und auf dem Klo ausrutschen, die erste Schramme bekommen, wenn der Bräutigam seine Pflicht nicht erfüllt, die Braut gar nicht will oder lieber einen anderen, der mit ihr tanzte, im weißen Festzelt, zwischen Onkels und Kumpels. Ava kennt Hochzeiten zur Genüge. Sie bestehen aus Torten und Gekreische, aus tränennassen Bekenntnissen und Freundschaften fürs Leben. Die Braut am Ende schmutzig und erschöpft, schon dann verunsichert, wird er immer so sein? Hochzeiten sind gewalttätige Feste auf den Dörfern, zwischen den Familien in den Festzelten, wo Markus seine Oldies auflegt.
    Petra und Markus haben bescheiden geheiratet, weil sie damals kein Geld hatten, niemand hatte Geld, weder seine noch ihre Eltern. Sie haben es gefeiert wie einen Kindergeburtstag, mit einem großen Schwenkgrill, mit Kuchen und Würsten und Steaks und nur wenigen Freunden. Es gab Bier in Kästen und Oldies und ein Zusammensitzen im Garten von Avas Eltern. Petra und Markus waren zufrieden, selbst Ava war zufrieden. Sie kuschelten sich zusammen, lachten, sahen zum Himmel hoch, mit einem Bier in der Hand, und entgingen der Gefahr einer großen Hochzeit. Später in der Nacht hatte Ava geweint, weil ihre Schwester geheiratet hatte. Sie hatte aber selber nicht gewusst, warum.
    «War doch okay so, oder?», fragt Danilo während des Gehens in den staubigen Nachmittag hinein, dem kein glamouröser Abend folgen wird, keine Hochzeitssuite und kein Champagner.
    «Ja», sagt Ava und sieht ihn nicht an. Was sonst? Sie hat doch auch keine Ahnung.
    «Oder hätten wir lieber nicht heiraten sollen?»
    Ava denkt, da sie nun einmal verheiratet sind und es ja Danilos Idee war und sie vielleicht gehofft hatte, es würde etwas festigen, das auf hinterhältige Weise bröckelig geworden war, dass sie es schon hatten tun müssen. Was sonst? Als würde die Heirat einen Gurt um sie zurren, um sie alle drei, um Ava, Danilo und Babymerve. Ava Androsevich und Merve Androsevich, so heißen sie nun.

    Zu Haus sitzen sie im Wohnzimmer und trinken eine Flasche Rotwein und dann noch eine. Danilo hat asiatisches Essen bestellt, ausnahmsweise, damit es eine Feier ist. Als Ava dann die zweite Flasche Rotwein leer hat, läuft sie rüber ins Bodenzimmer und greift Josip Androsevich um seinen harten Körper und lädt ihn ein in ihre Stube.
    «Du Pisser!», sagt Danilo. Er ist auf eine osteuropäische Art betrunken. Melancholisch, sich anlehnend und endlos weitertrinkend, bis er umsinkt. Das hat er manchmal.
    «Danilo, er ist unser Gast und mein Schwiegerpapachen.»
    Danilo hebt das Glas: «Živjeli. Pisser!»
    «Vielleicht ist er tot», sagt Ava plötzlich.
    «Warum sagst du das?»
    «Weil er nichts dafür kann, wenn er tot ist. Dann sag nicht Pisser. Das gehört sich nicht.»
    «Pisser», sagt Danilo.
    «Wenn du das so siehst, Danilo, was macht der dann hier? Was macht der hier in unserem Bodenzimmer und redet mit mir, wenn ich Wäsche aufhänge, jeden Tag redet der mit mir. Dann bring ihn weg. Die Mülltonnen unten sind gerade leer. Bring ihn weg, und es hat sich ausgepisst!»
    «Er ist nicht tot, der Pisser», sagt Danilo und lehnt seinen Kopf an Avas Kopf. «Er hat sich nur verpisst, der Pisser. Ich weiß es. Alle wissen es. Alle Verwandten wissen es. Nur Mamachen nicht. Und hat den Holzopa geheiratet. Glaube mir, der lebt, Avi.» Und er legt auch noch sein Bein über Ava auf dem Sofa und grabbelt an ihr rum, vollkommen betrunken. So kann man auch feiern, denkt Ava. Sie zieht sich aus und lässt Danilo an sich ran, obwohl Merve hier im Krabbelgitter liegt und schnarcht. Aber soll sie doch. Sie lässt Danilo auf seine betrunkene Weise an sich ran, weil er so erträglich ist. Ehrlich und ohne Hintergedanken. Sie lässt ihn richtig an sich ran. Richtig schmuddelig, betrunken, sabbernd, geil und auch süß. Wenn das Ehe wäre, wenn das Ehe wäre, dann wäre es okay, denkt sie und sieht während des ehelichen Verkehrs, halb auf dem Sofa liegend, halb auf den Boden gerutscht, Josip Androsevich ins verbeulte Gesicht. Pisser, der er ist.

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    Vierter Teil
    Ava schiebt den kleinen Martin, der in seinem Sportwagen schläft, in die dunkle Bürostube von Hartwigs goldschimmerndem Büro. Hartwig hat, entgegen der geschmacklichen Meinung seiner Frau, Frau Dr. Brackwerth, das Büro mit einer altmodischen, braungold

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