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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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strafft ihre Figur. Na sicher sieht sie gut aus. Wie konnte sie daran nur zweifeln? Sie hat es doch selbst im Spiegel in Merves Wohnung gesehen. Zwei Jahre fand sie nicht, dass sie gut aussieht, aber nun plötzlich glaubt sie es wieder. Zwei Jahre hatte sie gedacht, es wäre ihr egal, weil sie ja Danilo hat und weil sie Merve hat. Aber jetzt weiß sie, dass es ihr nicht egal war. Sie streckt sich noch mehr und hebt das Kinn und sagt: «Ja, was soll man machen? Ich sehe einfach gut aus.»
    Der blasse Mann mit dem kantigen Gesicht nickt.
    Merve hat sich von Jonathan gelöst und kommt durch die Tanzenden auf Ava und den Blassen zugetaumelt. «Hey, ihr Lieben», sagt sie. «Es freut mich, dass du dich schön unterhältst, Avi.»
    «Bist du schon betrunken?», fragt Ava.
    Merve schüttelt den Kopf. «Das noch nicht. Der Dicke hat mich nur gelangweilt.» Und zu dem Blassen sagt sie: «Sorry. Es war hoffentlich nicht dein Freund.»
    «Und wenn», sagt der Blasse.
    «Und wer bist du?», fragt Merve ihn.
    «Mario», sagt der Blasse.
    «Mario, der Zauberer. Ich bin die liebe Merve», sagt Merve und streckt ihm ihre Hand hin, die ebenso lang und blass ist wie seine.
    «Ava», sagt Ava und streckt nicht ihre Hand hin.
    «Ich schau mal rasch nach, ob der Norman jetzt endlich frei ist», sagt Merve und huscht wieder weg.
    «Woher kennt ihr Norman?», fragt Mario.
    Ava zuckt mit den Schultern. «Ich kenne ihn gar nicht. Merve kennt ihn. Seit letzter Woche kennt sie ihn.»
    «Ja? Und woher kennt Merve ihn?»
    «Vom Spielplatz.»
    «So also. Beim Spielen kennengelernt.»
    «Genau.»
    «Spielen sie miteinander?»
    «Keine Ahnung», antwortet Ava. Es ist ihr plötzlich zu viel. Der Smalltalk und das Geflirte. Sie sagt: «Weißt du, ich habe ein Kind und einen Freund eigentlich auch.»
    «Eigentlich?», sagt Mario.
    «Ohne eigentlich.» Ava dreht sich weg von ihm, zu den Tanzenden hin. «Nur so. Zur Information.»
    «Aber tanzen geht doch?», fragt Mario, fasst blitzschnell ihre Hand und zieht sie rüber auf die Tanzfläche. Ava tanzt. Erst etwas verkrampft, wegen der anderen und weil sie sich geniert, aber später macht es ihr doch Spaß. Mario reißt die Augen auf und dreht sich und schwingt seine dürren Hüften und hüpft und fliegt fast hin dabei und lacht sich kaputt. Er ist ein Spaßmacher. Es freut sie. Sie hätte es nicht gedacht, aber es freut sie, und sie lacht.
    Später gehen sie gemeinsam in die Küche und unterhalten sich mit Merve und Norman und trinken Schnaps aus einer Flasche, die Norman aus dem Küchenschrank holt. Jonathan Jädzahl kommt hinzu, dann noch eine große, gut aussehende Frau mit gelocktem braunem Haar und eine sehr dünne Frau mit kahl rasiertem Kopf. Sie stehen und rauchen und trinken Schnaps und diskutieren über Kunst und Musik und Geld.
    Ava hört nur zu, trinkt Schnaps und merkt kaum, dass sie ihren müden, verdrehten Kopf ab und zu an Marios warmen Körper hinter sich lehnt. Erst als Mario seinen Arm vorne über ihren Bauch legt, erschrickt sie, aber vor allem über das Angenehme der Berührung. Sie denkt, sie will mit ihm schlafen. Sofort. Sie muss ihn nicht einmal ansehen. Ihr reichen sein Arm, sein Geruch und seine Anstrengung, sie froh zu machen. Sie schiebt seine Hand von ihrem Bauch und läuft in den Flur, um ihren Mantel zu holen.
    «Ava, willst du gehen?», fragt Merve hinter ihr her, und sie nickt. Mario sieht sie gar nicht an, sie weicht seinem Blick aus. Sie verabschiedet sich und steht auch schon draußen in der feuchten Nacht. Es ist alles vorbei. Sie hat sich schnell gerettet. Sie hat es gerade so geschafft. Aber die Rettung fühlt sich an wie eine Enttäuschung, und die Freiheit des kühlen Abends wie Einsamkeit und Tristesse. Sie steht vor dem Haus und wartet. Aber niemand kommt heraus. Niemand öffnet die Tür. Sie ist ihm auch gar nicht wichtig gewesen. Sie war nur da und sah gut aus, wegen des Kleides. Das ist alles. Ohne das Kleid, nackt, mit ihrem Bauch, und wenn das Licht an wäre, da hätte er gar nicht mehr gewollt. Langsam, sehr langsam, macht sie sich auf den Weg zur Bahn. Je näher sie ihrer Wohnung kommt, ihrem Kind und Danilo, desto öder kommt ihr alles vor. Wie konnte sie weinen, als sie wegging? Wie konnte sie nur so fixiert auf die kleine Merve und ihre muffige Schlafzimmerbude sein? Zu Hause, Ava? Ihr Zuhause? Das ist ein Loch, eine Dachkammer voller Zank und Missgunst. Voller Geschrei und Babybrei.
    Sie steigt die Treppe zu ihrer Wohnung empor, öffnet sehr

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