Eheroman (German Edition)
auch. Aber schön, dass du da bist.»
«Gib den Mantel», sagt der Blasse, und Ava entkleidet sich und wird ein bisschen rot innerlich.
«Schön», sagt Norman und strahlt Ava an. Der Blasse steht immer noch mit Avas Mantel im Arm und macht keine Anstalten und strahlt Ava ebenso an. Der stumme dritte Mann sagt: «Schwulsein ist einfacher.»
«Es ist alles schwierig», sagt Norman.
Der Blasse grinst und legt den Arm um den Stummen. Der legt seinen Kopf an des Blassen Schulter. Ava will weg, weil sie nicht richtig im Bilde ist und noch ganz nüchtern und Merve suchen muss. Aber es gefällt ihr schon mal prächtig.
Merve steht neben einem hohen, gelb gestrichenen Fenster, mit einer Flasche Bier in der Hand, in einem kurzen roten Kleid, wie eine Fackel mit ihrem orangefarbenem Haar, und biegt sich nach hinten und kichert. Vor ihr und mit seinen Augen in sie vertieft, steht ein fülliger Mann in einem karierten Hemd und kichert ebenfalls. Sein Gesicht ist rund und freundlich, die Augen flitzen hin und her, er hat etwas Zappliges, Nervöses an sich, was nicht zu seiner Körperfülle passt. Ava schiebt sich in Merves Blickfeld, und Merve sagt: «Hey, da bist du ja.»
Der Mann richtet seine Aufmerksamkeit auf Ava und knallt seine Bierflasche auf das gelbe Fensterbrett, um Ava die Hand zu schütteln. «Jonathan Jädzahl.» Seine Hand ist dick und feucht. Jonathan Jädzahl ist im Ganzen gesehen ebenso dick und feucht. Das Bier scheint um seinen Mund herum fein versprüht worden zu sein und sich mit seinem Schweiß vermischt zu haben.
«Jonathan ist Journalist», sagt Merve stolz.
«Und du? Bist du auch Grafikerin?», fragt Jonathan.
«Ich bin Krankenschwester», sagt Ava und sieht, wie Merve die Augen verdreht.
«Ach so», sagt Jonathan.
«Gefällt es dir nicht?», fragt Ava.
«Doch. Nein, klar. Wieso nicht. Ich war auch schon mal im Krankenhaus. Ich hab den Blinddarm raus. Da war ich im Krankenhaus. Hat irre viel Spaß gemacht.»
Ava nickt. «Klar. Das ist eine einzige Freude im Krankenhaus. Besonders auf der Palliativstation.»
«Wie?»
«Wo sie sterben.»
«Ach so.»
Ava dreht sich weg von Merve, der Lügnerin, und Jonathan, dem dicken Journalisten, und läuft zurück in die Küche, um sich ein Getränk zu holen. Es gibt eigentlich nur Bier, darum nimmt sie Bier. Von dort schlendert sie durch die Räume, die farbig gestrichen sind, ebenso wie die Möbel, alles sehr farbig und ein bisschen ungenau gestrichen. In dem Raum, wo getanzt wird, hocken an der Seite Leute auf dem Boden. Eine Frau hat ihre dicken, grünen Strumpfhosenschenkel zum Schneidersitz gespreizt, von dem Jeansrock ist kaum ein Streifen zu sehen, auf dem Kopf trägt sie ein gehäkeltes Baskenmützchen. Sie sitzt auf dem Boden wie ein dicker Frosch mit einem Bier in der Hand und redet mit welchen, die neben ihr lümmeln. Einige Frauen tanzen, einige Männer stehen und beobachten die tanzenden Frauen, die Männer wippen mit dem Kopf. Die tanzenden Frauen tanzen exzentrisch und mit weit ausholenden Bewegungen, die Musik erfasst Ava, und sie würde auch gerne mit solchen Bewegungen tanzen und die Augen schließen und eine Baskenmütze tragen. Stattdessen trägt sie ein schwarzes Cocktailkleid mit einer eingestickten roten Rose über der linken Brust, zu alten Stiefeln mit wenigstens halbwegs hohem Absatz. Die Stiefel sind abgelaufen und nicht mehr so besonders. Das Kleid ist viel zu elegant. Das Kleid mit der Rose. Das Kleid passt gar nicht hierher.
Ava steht eine Weile am Eingang zum Tanzraum. Durch die gegenüberliegende geöffnete Schiebetür sieht sie im Nebenraum immer noch Merve mit dem karierten Journalisten kichern. Merve sieht umwerfend aus. Merve züngelt wie eine Flamme und ist viel zu schade für den Dicken. Auch wenn sie nicht im mindesten Grafikerin ist, sondern beurlaubte Studentin von was auch immer sie nicht zu Ende bringen wird. Ava wird von hinten an der Schulter berührt, weil sie im Wege steht. Sie dreht sich um und geht gleichzeitig einen Schritt zur Seite. Der Blasse, mit dem sie die Treppe hochkam, steht hinter ihr und lächelt sie an, als wäre sie seine Liebste.
«Hast du deine Freundin gefunden?», fragt er sie.
«Ja», sagt Ava, «sie steht dort drüben.» Sie deutet mit der Hand durch die geöffnete Tür ins Nebenzimmer. «Die Rote.»
«Die? Die ist mir schon aufgefallen.»
«Sie ist auffällig», sagt Ava.
«Du auch.»
«Wieso ich denn?»
«Weil du so gut aussiehst.»
«Ich?» Ava zieht ihren Bauch ein und
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