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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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hat? Wenn Merve kein rotes Haar hätte, überlegt sie sich, dann würde sie ihr Haar vielleicht rot färben.
    «Fertig», sagt Maike, die ein rundes Schild an ihrem Kittel trägt mit einem Frosch, darunter steht «Maike». Alle Frauen haben hier den Frosch auf ihrem Kittel. Es gibt keinen Zusammenhang zu Frisuren, denn Frösche haben keine Haare, denkt sich Ava. Und der Satz wird ihr unsinnigerweise den ganzen restlichen Tag durch den Kopf gehen: Frösche haben keine Haare.
    Merve steht auf und schüttelt sich wie ein Tier mit langem nassen Fell. Rote Haarspitzen wirbeln durch die Luft. «Fein», sagt sie. Es sieht auch wirklich fein aus. Es hat nur ein bisschen länger gedauert. Ava war schon vor einer halben Stunde mit Merve verabredet gewesen. Und eine Stunde hat sie nur, weil Martin dann aus der Krippe abgeholt werden muss. Er hat zwei Probestunden. Sie war weggegangen, ohne sich zu verabschieden, er hatte auf dem Teppich gesessen und freundlich geguckt. Da war sie einfach gegangen.
    «In welchem Zusammenhang stehen Frösche zu Haaren?», fragt Ava draußen, nachdem sie die duftende Merve an sich gedrückt hat. Draußen ist es düster und warm. Es ist Juni, und es wird gleich regnen.
    «Frisuren Frösche», sagt Merve. «Die Chefin heißt Gabriele Frösche. Und der Laden heißt Frisuren Frösche.» Sie grinst. «Hast du meine Maike gesehen? Sie war eine ganze Weile weg. Sie war in Ochsenzoll. Sie wollte sich – zack – aufhängen.»
    «Hat sie dir das beim Haaremachen erzählt?»
    «Ja. Hat sie. Sie redet wenig, aber interessant.»
    «Das ist doch nicht interessant.»
    «Na was? Das ist doch interessant?»
    «Das ist traurig, Merve. Du siehst aber wirklich schön aus.»
    Merve dreht und wendet sich. Sie ist dürr. Ihr Haar flammt im Gewittersonnenlicht. Ihre Augen glänzen rund. Sie ist so unwirklich wie eine Puppe aus Porzellan.
    «Manche Menschen sagen immer die Wahrheit», sagt Merve, «so wie Maike. Sie sagt nur ein paar Wörter, und das hast du bei Friseuren kaum mal, die meisten reden relativ viel Müll vor sich her, aber die sagt nur ganz wenig, und was sie sagt, ist wahr. Ich habe sie gefragt, wo sie so lange war, und sie hat gesagt, sie sei in Ochsenzoll gewesen, weil sie sich hätte umbringen wollen, und hätte es mit Aufhängen in ihrem Keller versucht. Mehr hat sie nicht gesagt.»
    «Und dann steht sie jetzt wieder da und föhnt Haare?»
    «Was denn sonst? Das ist doch ihr Beruf.»
    «Ich hätte es nicht erzählt.»
    «Ich auch nicht», sagt Merve.
    «Nein. Du lügst immer wie gedruckt.»
    «Ich bin so.» Merve zuckt mit den Schultern. «Ich kann auch nichts dafür. Aber manchen Leuten fällt nur die Wahrheit ein. Und soll ich dir was sagen? Es gefällt mir. Diese Maike gefällt mir wirklich. Auch wie sie aussieht. Ich mag sie richtig, richtig gern. Deshalb werde ich ihr etwas schenken, damit sie sich freut.»
    «Was denn?»
    «Ich weiß es nicht. Ich denke drüber nach. Es muss etwas Schönes sein. Sie schneidet auch am besten. Guck es dir doch an. Besser geht es gar nicht. Sie ist zum Frisieren geboren.»
    Ava nickt. Sie läuft mit Merve die Straße in St. Georg entlang, eine scharfe, tiefe Sonne unter den schwarzen Wolken verteilt gelbes Licht an die Hauswände, Wind kommt auf, und es donnert leise und weit weg.
    «Lass uns ganz schnell noch ein Bier. Oder lieber Sekt?», fragt Merve. «Sekt passt besser zu Friseur, nicht? Wir nehmen Sekt.»
    Ava nickt, obwohl sie denkt, es kommt nicht gut, in der Kinderkrippe am Vormittag schon mit Sektfahne aufzukreuzen. Zumal sie nur zwei Stunden weg war.
    «Ich habe Martin heute in der Krippe gelassen», sagt sie und stößt mit Merve an. «Das erste Mal, für zwei Stunden zur Probe. Ich muss gleich wieder hin.»
    «Wieso?» Merve zupft ihr kurzes, seidiges Kleid über ihren knochigen Knien zurecht. «Ruf doch an und frag, wie es ihm geht. Hast du die Nummer?»
    «Ich rufe nicht an. Ich habe gesagt, ich komme gleich wieder.»
    «Ruf an! Wenn es ihm gut geht, dann kann er doch noch bleiben, so ein Quark. Ich hab jetzt frei, und wir sehen uns nie, also. Ruf einmal kurz an und frag nur nach. Sag, du bist beim Arzt und es dauert länger.»
    «Ich lüge doch nicht mit solchen Sachen.»
    «Lüge immer mit dem, was hilft.»
    Ava zieht das Kinderkrippenfaltblatt heraus. Obwohl sie nicht will. Was sie will, ist schon wieder ganz unklar.
    «Könnten wir bitte ganz kurz telefonieren? Es ist ein Ortsgespräch», fragt Merve die Frau an der Theke, die sich in eine

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