Eheroman (German Edition)
sitzen die Frauen auf ihren Stühlen und denken jede für sich. Das Gerede hat irgendwann nachgelassen. Sie schwiegen eine Zeitlang, tranken, schwiegen und tranken, und plötzlich kichert die graue Kurzhaarige in ihre stummen Gedanken hinein. Kein einziges Wort fiel. Woher aus der Wildnis kommt dieses wilde Kichern gekrochen?
Danilo kehrt zurück, sein Blick kurz sorgenvoll auf die kichernde Frau gerichtet, dann schwenkt er zurück zu Ava und setzt wieder sein Lächeln auf. «Wollen wir zahlen?»
Sie nickt. Wollen wir zahlen. Müssen wir wohl. Auch wenn es nichts gebracht hat.
Sie ist einigermaßen angetrunken. Sie spürt den pelzigen Rotweingeschmack auf der Zunge und spürt auch den Wunsch, sich anzulehnen, in ihren Knochen und in ihrem schweren Kopf. Sie sieht Danilo an, er ist dafür da, das ist es auch, was er ist.
Im Taxi lässt sie den Gurt hängen und lehnt sich bei ihm an. Der Fahrer hört leise wimmernde Radiomusik, Lichter flitzen über ihr müdes Gesicht, sie spürt Danilos Atem, spürt ihn mit leicht geöffnetem Mund atmen, wie immer, wenn er trinkt, er wird schnaufen während seines Schlafes, die Arme wie ein Soldat auf der Decke, die Socken auf dem Boden zusammengerollt, und ganz mit sich zufrieden. Trotzig lehnt sie sich schwerer an ihn. Danilo streicht ihr gedankenverloren über den bemäntelten Arm. Für ihn ist das alles ausreichend.
Zu Hause schaltet sie das kalte Licht im Flur an. Die Stille, die Verantwortungslosigkeit in den Räumen. Niemanden muss sie ins Bett bringen. Dann im Kinderzimmer, süßer Geruch, sie starrt auf die leeren Betten.
«Was willst du denn hier?», fragt Danilo hinter ihr.
«Nichts. Ich weiß es auch nicht.»
Hartwig hilft dem stolpernden Erwin Bode in die Küche und schaltet unterwegs das holzverkleidete Küchenradio auf dem Kühlschrank ein. In der Küche ist es düster, die grüngemusterten Küchengardinen sind zugezogen, damit die Sonne nicht hereinscheint. Dennoch ist es warm, und es riecht säuerlich. In den Winkeln und Ecken bemerkt sie winzige Ränder festgewachsenen, fettigen Staubes. Um die Griffe der Einbauküchenschränke bemerkt sie dunkle Flecken. Oberflächlich ist es allerdings sauber. Oberflächlich ist es ausgefegt, und es steht kein Abwasch herum. Es ist die Sauberkeit, die bei alten Leuten herrscht, die sich die Mühe machen und die Reinigung der Wohnung in Angriff nehmen, aber nicht mehr die Augen und die Kraft haben, die Reinigung in den Winkeln durchzuführen. Ava seufzt, bei ihr selbst sieht es in den Winkeln auch nicht besonders aus. Es ist ihr auch egal, es riecht nur nicht so gut.
«Zum Essen hört er gern Klassik-Radio», sagt Hartwig zu Ava, damit sie es später alles weiß, und Herr Bode nickt dazu und lässt sich umständlich, mit Hilfe Hartwigs, Ava beobachtet jeden Handgriff, auf einem Küchenstuhl vor der braunen Styroporbox mit seinem Mittagessen nieder. Orchestrale Streichermusik überschwemmt die muffige Küche, ein Kegel Junisonne schleicht sich durch die in Bewegung gebrachten Gardinen auf den PVC-Boden, der sich im Bereich vor der Spüle nach oben wellt.
Erwin Bode, weiß sie von Hartwig, sonnt sich nackt vor der Scheibe seines Schlafzimmerfensters auf einem elektrisch verstellbaren Kunstledersessel, weil ihm die Sonne in gute Stimmung versetzt und für einen schönen Teint sorgt. Das Gesicht von Erwin Bode ist braun wie das eines alten Cowboys in der heißen Prärie. Das weiße, flaumige Haar umkränzte nach dem Föhnen elektrisch aufgeladen seinen Schädel wie ein Heiligenschein. Er drückte etwas Brisk auf seine zittrigen Hände und frisierte sich eine John-Wayne-Frisur. Das war vor dem Essen und nach dem Baden, in seinem Schlafzimmer, wo er die meiste Zeit seines Tages verlebt. Das dunkle Wohnzimmer zum Hof hin, mit der lackierten Schrankwand und den Porzellantänzerinnen und Porzellanengeln und Porzellanvögeln staubt aufgeräumt vor sich hin. Ein Korb mit grauem Strumpfstrickzeug steht neben dem Sofa, so als wäre seine Frau gerade erst von ihm gegangen. Es ist aber bereits neun Jahre her. Das hat er ihr auch erzählt, während seines Bades in seiner verkalkten Badewanne. Eine Dusche gibt es in dieser Wohnung leider nicht. Eine Dusche wäre für ihn besser.
Alles, was er tut, dauert lange. Hartwig nimmt das Essen aus dem knirschenden Wärmebehälter und stellt es vor Herrn Bode ab, der das alles mit zwinkernden Augen verfolgt. Es gibt Hähnchenbrustfilet mit kleinen Champignons, dazu geschliffene Karottenstückchen,
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