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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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Minuten sind eine Regel, die von der Anke vorgeschlagen wurde. Die Anke ist die große, breite Erzieherin mit dem milchigen Gesicht und dem Lächeln darin, das alle Kinder lieben. Was die Anke sagt, das stimmt. Mehr als das, was Ava sagt oder Danilo. Die Anke macht heute Dienst mit der Praktikantin Jennifer. Jennifer ist auf dem Weg zur Erzieherin. Das Problem ist ihre Unlust zu reden und sich zu bewegen. Sie hängt am liebsten an einem der winzigen Tische auf einem der winzigen Stühlchen mit ihrer engen Jeans und dem rosa Unterhöschen, das den oberen Teil ihres Hinterns nur unzureichend bedeckt, und schneidet oder malt vor sich hin. Das kommt aber auch nicht schlecht an. Besonders die Mädchen sitzen gern neben ihr und schneiden und malen ihr alles nach. Die Jungen machen ein paar Vorschläge für Schwerter oder Kanonen, aber Jennifer kann besser Blumen und Schmetterlinge und so romantisches Zeug. Wenn es Ärger gibt, schreitet Anke ein, und dann ist gleich wieder zwar nicht Ruhe, aber Ordnung.
    Ava zerrt Merve sanft am Arm. «Komm, Mervi, wir müssen nach Hause.»
    «Glei-heich!» Merve reißt sich los und spielt unbeirrt weiter, mit ihrer Freundin Hannah mit den kurzen, braunen Jungshaaren und ihrer anderen Freundin, der dicken Josie. «Gleich» heißt gar nichts, außer, sie will weiterspielen. Dass «gleich» eine gewisse, kurze Zeitspanne darstellt, ist Merve nicht bewusst. Sie kommt nie gleich. Ava kniet sich hin. «Merve, wir müssen jetzt wirklich gehen. ‹Gleich› ist schon vorbei. Wir müssen jetzt gehen, denn ich will nach Hause.»
    Merve ignoriert Ava. Und Ava weiß, was sie jetzt tun muss, denn so ist es mit der Anke besprochen. Sie packt Merve unter den Armen, zack, und zieht sie von ihrem Platz zu dem Bänkchen mit den Schühchen und den Jäckchen. Merve stemmt sich dagegen und brüllt. Ava sieht aus dem Augenwinkel eine andere Mutter, die Patricia, die Mutter vom Jörg, hereinkommen. Der Jörg kommt strahlend angelaufen, denn seine Mutter, die Patricia, hat in ihrer Tasche immer Marsriegel. Die kriegt er draußen vor der Tür, während die anderen Kinder es vom Fenster aus beobachten können. Sie stand schon öfter dabei, als der blöde Jörg draußen seinen Marsriegel kaute, während Merve fragte: «Darf ich auch einen Mars?» – «Nein.» Geheule, Diskussionen und so fort. Was für eine blöde Erziehungsmethode. Aber diese hier ist auch nicht besonders. Ein Blick zur Anke. Sie nickt. Also ist es in Ordnung. Ava stellt Merve bei den Jacken auf und hält sie dabei hinten am Pullover fest, damit sie nicht abhaut. «Es ist wirklich blöd von dir, so rumzuschreien, wenn ich dich abhole. Freust du dich denn nicht, wenn die Mama kommt?»
    « Du bist blöd», plärrt Merve.
    «Ich freue mich, wenn ich dich sehe», lügt Ava.
    «Ich freue mich nicht», plärrt Merve weiter.
    «Ach, Mann.» Ava lässt Merves Jacke los. «Ich hasse es alles», murmelt sie. «Ich will nach Hause.» Sie reibt sich die müden Augen.
    Merve beobachtet sie. Dann schlingt sie ihre Arme um Avas Beine. «Ich freue mich auch, Mama», heult sie jetzt auf diese andere Weise, die sie auch kann. Verrücktes Kind. «Du bist nicht blö-höd», schluchzt Merve weiter.
    «Nein. Du bist auch nicht blöd», sagt Ava. Sie denkt, es ist ein guter Zeitpunkt, die Jacke vom Haken zu nehmen und sie Merve anzuziehen. Merve greift sich brav die Jacke, und Ava schaut sich nach Martin um. Martin sitzt auf dem Teppich neben dem Maltisch und greift nach dem Gesicht von Josie, die vor ihm hockt und mit ihm redet. Er lächelt. Er ist ein großer Lächler. Josie lächelt auch. Sie streicht ihm über den Kopf. Winzige Fusseln von Haaren richten sich elektrisch auf.

    Zu Haus sitzt Danilo an seinem riesigen Schreibtisch, Fadil sitzt daneben im Freischwingersessel und schaukelt und trinkt Cola. Vor Danilo auf dem riesigen Esstisch, der ihm als Arbeitstisch dient, liegen Texte und Bilder. Sie sehen beide zufrieden aus und elegant. Danilo trägt einen hellen Anzug, Fadil eine dunkle Jeans und ein weißes Hemd.
    Ava steht in der Tür, sich ihrer Haare bewusst, ihre Haare sind ungewaschen, sich ihrer verlatschten Turnschuhe und ihrer Augenringe bewusst. «Hi», sagt sie und hebt die Hand. An ihrem Bein hängt Martin. Merve ist im Flur noch mit ihren Schuhen beschäftigt und schimpft.
    Fadil springt von seinem Freischwinger auf, läuft auf Ava zu und umarmt sie. Ava wünscht, sie hätte heute etwas mehr auf ihr Äußeres geachtet.
    «Kleine», sagt Fadil. Er

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