Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
Vom Netzwerk:
der Toilette gesehen, im Ganzkörperspiegel neben den Waschbecken, mattes gelbes Licht von der Seite, sie sah gut aus. Danilo sieht auch gut aus. Sehr gut sogar. Manche Frauen betrachten ihn ganz scharf und gierig, als würde sie das nicht merken, aber sie merkt es, es ist nur kaum wichtig. Er ist nun tatsächlich ein Mann mit allem Zubehör, Haare, Bart, angenehme Falten an den richtigen Stellen. Zu einem Mann hat man ein anderes Gefühl als zu einem Jungen. Ein gemäßigteres vermutlich.
    Sie bekommen hohe, bauchige, eigentlich gewaltige Gläser, mit aber nur wenig Wein drin. Sie lächelt Danilo an, und sie heben ihre Gläser, wie zur Bestätigung ihres Komplotts. Heute wird gelächelt. Danilo lächelt direkt in ihr Gesicht hinein. Hat er sie sonst, in den vergangenen Tagen, auf diese Art angelächelt? Und sie ihn? Sie ihn auch nicht. Das muss gerechterweise gedacht werden.
    Mit einem derart lächelnden Mann könnte sie vögeln. Sie zieht es in Erwägung. Nun, mit dem Job in der Tasche, ist sie sexuell wieder etwas besser drauf. Nur Danilo nicht, bei ihm hat sich auch nichts verändert. Er ist jetzt mehr zu Hause als Ava. Er schreibt und hat sich das Rauchen angewöhnt. Er wechselt sparsam vernünftige Worte mit ihr. Wenn er betrunken ist, schläft er mit ihr, wenn sie will. Wenn sie auch betrunken ist, will sie.
    «Ava?»
    Sie blickt hoch. Nebenan schluchzt die Frau und blickt sich hektisch um. Die graue Frau legt ihr Rosendöschen vor sich auf den Tisch, direkt neben die Gabel.
    «Ja?»
    So laufen die Gespräche ab.
    «Was denkst du?»
    (Herrgott.)
    «Nichts.»
    «Ist was mit uns?»
    «Wir wollen doch einen netten Abend haben. Und nicht Probleme besprechen, oder? Oder?»
    Danilo lächelt immer noch. Worauf will er hinaus? Welche Strategie verfolgt er? Betrunken kann er noch nicht sein.
    «Nein», sagt er, «du hast ja recht. Ich hab mich nur gefragt, was du denkst. Du hast ja tatsächlich so deine eigenen Gedanken hinter deiner kleinen Stirn, und ich habe keine Ahnung, wie die aussehen.»
    Ava spürt eine Welle von altem Groll in sich aufsteigen, wegen der kleinen Stirn und wegen allem. Aber die grauhaarige Frau mit der Tablettendose ist ihr eine Mahnung. Sie hält die Hand der jüngeren Frau fest und sagt in ganz normal lautem Ton: «Reiß dich zusammen. Sie ist ja tot.»
    Das hätte Ava allerdings nicht gedacht, weil sie sich so aufgeregt haben, und nun stellt es sich so heraus, dass sie schon tot ist. Und dann der ganze Luxus auf den Tischen. Das kostet ziemlich viel Geld, das empört sie in diesem Zusammenhang. Deshalb lächelt sie nun endlich und sagt: «Ich dachte nur, es wäre schön, wenn wir öfter etwas machen würden, nur wir beide, ohne die Kinder. Ich dachte dann auch noch, dass es vielleicht normal ist, dass es so wird wie bei uns.»
    «Wie ist es denn bei uns?», fragt Danilo.
    «Ach», sagt Ava. Jetzt reicht es ihr aber.
    «Wir sind doch eine ganz normale Familie», sagt Danilo. «Wir sind doch nicht besonders …», er zögert, «unglücklich, oder? Ich meine, wir streiten manchmal, aber wir schreien uns doch nicht an. Wir hassen uns doch nicht, oder?»
    Hassen? Ava betrachtet Danilo, ihren Ehemann, ihren Bettgenossen, ein Hauptverdiener, ein Kindesvater und ein Freund. Hassen ist eine andere Sache. Aber wenn er das alles so empfindet, dann sollte sie sich fügen. «Das, Ava, ist der Alltag», hatte die Mummi gesagt. «Da kannst du nicht weg von.» Danilo kann besser damit umgehen als sie. Er beklagt sich nicht. Er arbeitet an seiner Karriere, er blüht auf seinem kargen Boden, er erfüllt seine Pflicht, als gäbe es keine andere Möglichkeit. Sicher, Ava erfüllt auch ihre Pflicht und hat es auch nicht leicht, niemand hat es leicht. Sie trinkt das ganze flache Pfützchen von Rotwein leer, bevor überhaupt das Lamm auf den Tisch kommt. Nur, sie ist so ausgedörrt dabei.

    Zwischen Danilos großen Schneidezähnen hängt ein Fitzelchen Rucola. Er versucht, es unauffällig zu entfernen, und sieht dabei gewalttätig aus wie ein Gorilla und nicht unauffällig. Dann zuckt er resigniert mit den Schultern und verschwindet in Richtung Herrentoilette. Sie wirft einen Blick nach nebenan. Bei den Frauen, auf der schweren weißen Tischdecke, ist die Flasche leer. Rundherum hat sich der Rotwein tröpfchenweise in das Gewebe gesogen. Die Flasche ist die zweite, die leer ist. Das wird sich auf der Rechnung niederschlagen, denkt Ava und dass ihr das egal sein kann. Die Gedanken gehen eigene unsinnige Wege. Stumm

Weitere Kostenlose Bücher