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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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mehr Respekt vor ihm? Wahrscheinlich haben sie mehr Respekt. Sie seufzt leise, sie fühlt ihre Fehler und ihre Unvollkommenheit in allen Dingen wie eine Strafe am Feierabend. Und wütend macht sie das auch, wütend auf Danilo. Sie muss ihm widersprechen. «Fadil hat doch ein Geschäft, da kannst du doch nicht sagen, dass er nichts am Hacken hat, Danilo.»
    «Herrgott! Kein Mensch kann sich einfach so ein Geschäft kaufen. Ein Geschäft baut man sich auf. Aber er kauft sich ein Geschäft, kauft sich die Einrichtung, kauft sich die Waren und stellt ein paar hübsche Frauen ein, fertig. Das Leben ist organisiert.»
    «Anscheinend hat er es aber gut organisiert, denn das Geschäft läuft doch, soviel ich weiß?»
    «Ein Feinkostladen in Eppendorf, in Eppendorf, warum soll der nicht laufen, Ava? Die Leute dort wissen gar nicht wohin mit ihrem Geld, die wissen gar nicht, was sie sich noch alles für Zeug in ihre verwöhnten Designerschnuten schieben sollen. Die essen doch nicht Brot mit abgepackter Lidl-Salami.»
    Ava schaut auf Danilos Lidl-Salamibrot. Er hat sich Senf draufgeschmiert, weil er Senf gerne mag. Sie kauft mittelscharf, weil ihm der am besten schmeckt. Sie achtet auf alles, was ihm am besten schmeckt. «Bist du neidisch?»
    «Ich bin nicht neidisch. Ich finde es nur unreell, wie Fadil lebt. Der macht alles, wie es ihm Spaß macht. Sein ganzes Leben ist ihm ein einziger Spaß, Ava. Der weiß doch gar nicht, was es bedeutet, mal so ganz normal –», er schaut in die Runde, zu Merve mit ihrem marmeladeverschmierten Mund und Martin, der einzelne Brotstückchen mit Zeigefinger und Daumen zusammendrückt und dann in seinen Mund schiebt, während Spuckefäden an seinen Fingern hängenbleiben, «– im Alltag zu leben.»
    Das, was er sagt, ist nicht schlimm, denkt Ava. Aber wie er es sagt. Warum macht ihn das Leben im Alltag so wütend? Ava macht es fertig, aber Danilo macht es wütend, als wäre er betrogen worden.
    «Fadil hat auch einen Alltag», sagt sie darum. Sie mag es nicht so stehenlassen.
    «Ja. Sein Alltag, das wäre für mich … Urlaub … im Fünfsternehotel. Ich würde gerne mal mit seinem Alltag tauschen.»
    «Danilo! Das ist doch nicht schlimm hier!»
    Merve starrt sie beide mit offenem Erdbeerbuttermund an. «Das doch nich schlimm», wiederholt sie Avas Worte.
    «Nein, nein.» Danilo steht auf und geht in sein Arbeitszimmer.

    Die große Merve arbeitet nachmittags und manchmal auch vormittags in dem esoterischen Buchladen Pranabuch in der Gertigstraße in Winterhude. Ava will sie zum Feierabend dort abholen, sie fährt lange herum, um einen Parkplatz zu finden, und schimpft vor sich hin. Die schöne Zeit! Am Ende findet sie einen Parkplatz am Goldbekufer und läuft zu Fuß am Mühlenkamp entlang und dann die Gertigstraße wieder hoch. Es ist warm, und die Leute hängen vor dem Café 42 herum und schlürfen Kaffee und Weißwein. Das bessert ihre Stimmung. Warum ist sie immer gleich so verkniffen? Wann fing das an? Sie denkt an Danilo und an die Kinder. Danilo muss heute alles alleine händeln. Er ist die letzten zwei Wochen fast ständig unterwegs gewesen. Er traf sich mit Leuten, die eine Wichtigkeit besitzen, und Ava musste alleine mit den warmen Abenden und den Kindern klarkommen. Eigentlich ist es ihr fast egal gewesen, aber gestern hatte sie ihm gesagt: «Morgen geh ich aus.»
    «Soll das eine Drohung sein?», hatte er gefragt.
    «Nein. Ich gehe nur aus. Ich drohe überhaupt nicht. Ich sage Bescheid.»
    Sie hatte zehn Abende in der warmen Stube gesessen, während draußen die Vögel von Bier zwitscherten und die Welt und die Abende rosa vorbeizogen, und war dabei vor dem Fernseher, dem Buch, dem Kind eingeschlafen. Ein Leben wie ein Abend, ein sanftes Gleiten in den sauberen Schlaf.
    Merve hat immer noch die nette Lehramtsstudentin Heike im Haus, Heike wohnt auch immer noch in der Wohnung zwei Stock über Merve, sie ist immer noch mannlos, ihre Abende verbringt sie meist still mit Klassenarbeitenkorrekturen und Bastelstundenvorbereitungen, denn sie ist eigentlich schon fast eine richtige Lehrerin mit einer eigenen fünften Klasse in einer Gesamtschule.
    «Ich frag sie», hatte Merve am Telefon gesagt. Sie hatte gefragt, und Heike hatte Johnny aus dem Kindergarten abholen können.
    Ava sieht Merve durch die Scheibe auf einem Höckerchen sitzen und ihr rotes Haar mit den Fingern zwirbeln. Um ihren Hals trägt sie einen gläsernen Tropfen und um ihren Körper ein rotes Tuch

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