Eheroman (German Edition)
zwischendurch schnaufend nach Luft. Er fiept ein bisschen leise, während Merve sich bemüht.
«Merve, ich glaube, ich gehe lieber, für mich ist das wohl doch nichts», sagt Ava. Die Frauen sehen jetzt alle besorgt Ava an, die bisher im Hintergrund geblieben war.
«Wieso nicht?», fragt Merve, die Hand immer noch im Hund vergraben. Es geht Ava auf, dass Merve eine ganz andere Grenze in merkwürdigen Streitereien hat als sie. Merve ist nicht unangenehm berührt von dem Streit, oder wenn doch, dann ist diese Berührung Teil dessen, was Merve am Leben alles so interessiert.
«Nein, nein, nein. Das Stück ist sicher großartig», setzt Jacqueline sich plötzlich ein, «Barbara ist sehr begabt, ihr werdet sehen. Barbara, hol doch mal die Kopien her.»
«Gibst du hier jetzt die Befehle, Jacqueline?»
Jacqueline nickt. «Schon immer tue ich das. Da solltest du dich langsam dran gewöhnt haben, meine Beste.»
Auf den Stapeln kopierten und gebundenen Papiers steht: «Das Schwein, das Schaf und die Lampe.»
«Sehr aussagekräftig», sagt Jacqueline, «und mit Tieren, alles dabei.»
«Sei ironisch», sagt Barbara und steht auf, «wenn es dir gefällt. Aber ich will euren ersten Eindruck nicht beflecken, meine Lieben. Lest, und wenn ihr beim nächsten Mal nicht mehr erscheint, dann weiß ich Bescheid.»
Ava und Merve nehmen ihre Jacken von der Garderobe und begeben sich zum karierten Ausgang.
«Ich werde erscheinen», sagt Jacqueline.
«Du wohnst hier.»
«Musst du immer witzisch sein? Das hast du in deinem Alter doch nicht mehr nötig. Du kannst dich doch langsam auf andere Art profilieren.»
Der Hund humpelt zur Tür und tröpfelt dabei, bis er hinausgelassen wird, um, eine Tropfenspur auf der Treppe hinterlassend, auf den Kies zu pinkeln.
«Der Hund tropft», sagt Merve.
«Nicht nur der Hund», murmelt Barbara, zu leise, als dass die weiter hinten wartende Jacqueline es hätte hören können.
Draußen ist es dunkel. Ava hat ihren kleinen Firmenwagen um die Ecke geparkt, sie will Merve nach Hause fahren. «Denkst du, dass das was für uns ist?», fragt sie.
Merve zuckt mit den Schultern. «Warum nicht, es war doch wunderbar. Hast du die Weingläser gesehen?»
«Na, wie nicht. Natürlich habe ich sie gesehen, und vor allem, der Wein, Merve!»
«Sag ich doch. Ich lese das Stück, aber wie auch immer, ich will wieder hin, Ava, und du auch. Das ist doch sehr interessant. So ein Haus, solche Leute! Und das war erst der Anfang. Warte ab. Das muss ich auf jeden Fall noch eine Weile haben. Oder hast du abends was Besseres vor als das? Ich jedenfalls bin begeistert.»
Ava schweigt. Merve hat recht. Sie hat es nur aus Danilos Augen gesehen. Danilo hat es von Anfang an niedergemacht. Aber mit ihren eigenen Augen betrachtet? Sie wird «Das Schwein, das Schaf und die Lampe, ein Stück von Barbara Buddeberg» lesen und noch mindestens einmal mitgehen. Danilo wird sie es ein bisschen anders erzählen oder kaum erzählen, auf jeden Fall wird sie ein paar Leute dazulügen, sonst weiß sie schon, was er sagt.
Es geschieht an einem Montag gegen Mittag, es ist windig, und es regnet immer wieder, dazwischen reißt der Wind Wolkenfetzen auf, und die Sonne blitzt in allen Pfützen und Wassertropfen auf den parkenden Autos. Die kalte Nässe dringt in Avas dünnen Mantel, sie ist eben in Eppendorf mit Frau Burckhardt fertig geworden, sie will in ihr Auto steigen und die Heizung anstellen, als sie Fadil sieht. Er steht in seiner «Feinkost Demir»-Schürze im kalten, nassen Wind und hält sich an einem der hohen Fahrradständer fest, eine Hand ins Gesicht gedrückt, und weint.
Sie hat es gewusst. Die ganze Zeit hat sie gewusst, dass irgendetwas nicht stimmt. Sie schließt ihr Auto wieder ab und geht zu ihm hin. «Fadil.»
Fadil dreht sich zu ihr und grinst, während ihm die Tränen stetig aus den Augen laufen.
«Was ist denn?», fragt Ava.
Fadil schüttelt den Kopf. «Nichts ist, nichts.» Sein Hemd ist an den Schultern dunkel vor Nässe, das Wasser läuft von den Haaren über sein Gesicht und vermischt sich mit den Tränen zu einem Rinnsal.
«Du weinst doch», sagt Ava, und es kommt ihr blöde vor, etwas festzustellen, das so offensichtlich ist. Die Sonne blitzt in ihrem Gesichtsfeld auf. Der Wind weht heftig, und die alten Linden über ihnen werfen abgestorbene Zweige auf den Boden ab. «Ich parke hier, setz dich doch in mein Auto, da wird es ziemlich schnell warm.»
Fadil folgt ihr zu ihrem kleinen Opel von «Hartwig
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