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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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die Nerven.» Ihr geht Fadil auch langsam echt auf die Nerven. Das liegt daran, dass er unangemeldet in einem mühsam funktionierenden Haushalt auftaucht und den Alltag aus den Fugen kippt. Selbstherrlich, frisch duftend, Geschenke verteilend, als gäbe es nichts Schöneres für sie alle. Was bildet er sich ein? Wenn Danilo allerdings nicht diesen Satz gesagt hätte, dann wäre sie zufrieden gewesen, dann wäre alles wie früher gewesen, dann wäre Fadil Fadil, wie er es immer gewesen ist, und alles wäre in Ordnung. Aber das ist es nicht. Fadil lacht jetzt noch lauter, und sein Parfüm ist noch stärker, und seine Geschenke sind noch größer. Es ist, als wäre er noch mehr er selbst geworden und als wäre das jetzt unerträglich.

    Das Haus liegt dicht an der Alster im Stadtteil Uhlenhorst. Es ist noch früh im Herbst, die sommerliche Spätabendsonne scheint schräg durch die alten Bäume und wirft lange Schatten von Stämmen und Häusern und Menschen. Der Himmel färbt sich langsam lilablau und an den Rändern tiefrot. Die Dächer sind in warmes Licht getaucht, in den ebenerdigen Räumen nistet sich der Abend ein, Tischlampen brennen vereinzelt in der verschwommenen Tiefe hinter den Fenstern. Zwischen den noblen Häusern liegt eine geordnete Stille. Ein großes, flaches Auto schiebt sich geräuschlos aus einer Tiefgarage auf den Gehweg. Eine winzige Frau mit einem weißen Hütchen geht aufrecht, mit durchgedrücktem Rücken und einem schwingenden Mäntelchen auf sehr langsame Art mit ihrem kleinen weißen Hund spazieren. Bleibt der Hund stehen, um zu schnüffeln, redet sie mit hoher Stimme auf ihn ein. Als sie näher kommt, sieht Ava, dass die Frau viel älter ist, als sie aufgrund der zarten Statur und der eleganten Kleidung vermutet hätte. Die Frau ist eine Greisin, ihre Gesichtszüge sind verrutscht, und ihre Haut ist wie dünnes, sommersprossiges Pergament über den spitzen Wangenknochen. Sie schließt, stetig vor sich hin lächelnd, sehr langsam ein Tor auf und tippelt mit dem Hund die Treppe zu einem weißen Haus empor.
    An dem Tor steht auf einem weißen Emailleschild, auf dem ein kleiner, nackter Engel sitzt, «Buddeberg und Wenzel». Es ist das Haus von Barbara Buddeberg, eine kleine Villa mit zwei strammen, etwas bröckelig gewordenen Säulen am Eingang und einem hohen, schmiedeeisernen Zaun, jede Strebe wie ein Speer geformt, Büschel von Moos sich über der kleinen Mauer ausbreitend, in der die Streben festzementiert sind, und unter dem Namensschild eine Klingel und eine Sprechanlage aus grauem Plastik. Sie klingelt, es rauscht, eine rauschende Stimme sagt wahrscheinlich «Hallo?», sie kann es überhaupt nicht verstehen.
    «Hier ist Ava», sagt sie, «ich bin hier wegen des Theaterspielens.»
    Es krächzt, und die Tür lässt sich nach außen öffnen. Eine grauhaarige Frau in einem langen weißen Kleid, in der Hand eine Flasche Wein, öffnet ihr die geschwungene Tür der Villa. Düfte wie von abgebrannten Räucherstäbchen umschweben sie, vielleicht handelt es sich aber auch um Parfüm, und Ava schämt sich am Eingang zur kariert getäfelten Eingangshalle ihrer an den Füßen ausgefransten Jeans. Wie hätte sie aber so etwas erwarten können?
    Die Frau sagt: «Barbara, Schätzchen», um sich Ava vorzustellen, und reicht ihr die Hand, an deren Gelenk ein Schwung Reifen klirrt.
    «Ava», sagt Ava ein zweites Mal und betritt einen ebenfalls karierten Boden und eine neue Welt.
    Danilo ist komplett dagegen gewesen, auf eine wütende und tatsächlich unlogische Art. Wenn er nicht wütend gewesen wäre, dann wäre sie jetzt nicht hier. Sie ist aus einem Streit heraus, aus Trotz schließlich, zur Theaterprobe gegangen. Danilo ist deshalb wütend gewesen, weil sie sich auf eine in seinen Augen «wieder einmal» vollkommen unsinnige, von vornherein problembeladene Sache einließ. «Und unseriös», hatte er hinzugefügt. Sie hätte sich besser an die Volkshochschule wenden sollen, wenn sie unbedingt Theater spielen wolle. Ein genervter Unterton dabei. Er hatte ihr sogar eine Broschüre der Volkshochschule auf den Nachttisch gelegt. «Du willst gar nicht Theater spielen», hatte er gesagt, «du willst nur wieder auf Leute mit Problemen stoßen, damit du dich dann später um sie kümmern kannst.»
    «Ganz genau», hatte sie gesagt. Und nun überschlägt sie rasch das Problempotential von «Barbara, Schätzchen». Barbara, Schätzchen eilt in ihrem weißen Kleid durch die schattigen Räume, bis sie einen hinteren

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