Eheroman (German Edition)
zieht. Unter dem Kittel nur ein gelb-rosa gestreifter Baumwollslip. «Ich gehe ja aus, damit ich mal einen Typen finde. Sonst geht doch keiner aus, wenn er nicht einen Typen finden will. Aber dabei gibst du eine Menge Geld aus. Du kannst ja nicht so ausgehen und da rumhocken ohne Saufen. Du kannst ja nicht Tee trinken. Und wenn du nicht ein bisschen voll bist, dann kriegst du auch keine Typen, das ist alles ein Zusammenhang, ich hab jedenfalls noch nie nüchtern einen Typen gekriegt, aber wenn man es sich mal so überlegt im Kopf, dann ist es doch Schwachsinn, das ganze Geld in Getränke zu investieren.» Sie hält ihre Selbstgedrehte hoch. «Das kommt dabei raus. Dass man überall Abstriche machen muss. Wegen Männern. Ich könnte echt abkotzen. Und am nächsten Morgen sind sie immer ein bisschen oll, Ava.» Sie kriecht näher zu Ava ran, den Kittel zuknöpfend. «Wenn die am nächsten Morgen daliegen, ich könnte denen echt was Knallhartes über den Schädel schlagen, gnadenlos, Avi, über den verpickelten Schädel, die haben immer Pickel am nächsten Morgen, und die sind echt oll, unfreundlich und stinken.» Beate verzieht das Gesicht und schüttelt sich.
Ava lacht. «Du bist so, so süß, Büate, Büate, du kleine Hure.»
Ohne Beate wäre das ganze Krankenhaus nichts. Und ohne Hartwig. Ohne Andreas wäre das Krankenhaus noch das Gleiche. Er könnte auch gut woanders arbeiten. Es wäre Ava egal. Aber ohne Beate und ohne Hartwig wäre es hier wie in einem Krankenhaus.
Nach der Arbeit radelt sie zurück. Ein bisschen erschöpft und ein bisschen unempfänglicher für den Sommer auf der Straße. Der kleine Schmerz vom frühen Morgen hat sich gleichmäßig in ihrem Gesicht verteilt und ist zu einem schwach auf ihrem Körper lastenden Druck geworden. Sie ignoriert ihn, sie kann es ertragen, sie spürt ihn fast schon jeden Feierabend, diesen leicht schmerzenden Druck, ausgelöst durch Medikamentengeruch und Gestöhn und Urin und schuppig aufgerissene Haut auf den fleckigen Beinen einer alten Frau. Ihr Rücken schmerzt vom Heben und Waschen, und das Draußen riecht sanft nach Abgas und Alltag. Beate hat gesagt, sie soll nicht hingehen, sie hat gesagt, wenn sie hingeht, dann passiert was. Sie kennt sich selbst, hat sie gesagt und auf Ava geschlossen. Ava meinte, sie sei anders als Beate, sie habe einen Freund und kein Interesse an Danilo. Aber das ist gar nicht der Hauptgrund. Der Hauptgrund ist, dass sie es ihm versprochen hat. Das wäre in ihrer Vorstellung so gemein, dann nicht zu kommen, das würde ihr selbst den Tag und die Woche und länger verderben, wenn sie wüsste, dass sie etwas versprochen hat und es dann nicht hält. Und die Enttäuschung, die es auslösen würde. Wie kann man solch eine Enttäuschung verschenken an einem Geburtstag? «Ich gehe hin und sage ihm, wie es ist. Und dann können wir ja noch ein Bier trinken oder so, aber kein Essen. Das will ich nicht», hatte sie zu Beate gesagt. Beate hatte ihre Schultern wie im Tanz hin und her bewegt und gesagt: «Klar, Ava. Tu es. Ich würde es tun, du tust es. Aber es wird anders kommen, als du denkst. Du bist einfach zu blöd noch. Aber egal.» Ava hatte mit den Schultern gezuckt und war gegangen, und Beate hatte ihr noch hinterhergerufen: «Wieso lernst du immer ganz andere Typen kennen als ich?» Ava hatte gesagt: «Ganz andere? Das ist ein ganz kleiner Spinner aus Kroatien, der hat nen Knall, hat der, und eine dicke Brille, wenn du den mal sehen würdest, dann wärst du nicht neidisch, Beate, echt nicht.»
Beate hatte genickt und gesagt: «Sag ich doch, ganz andere Typen, du bist irgendwie magisch, Avi.»
Das ist der Plan. Beate irrt sich, Ava wird Danilo treffen, sie ist überhaupt nicht aufgeregt deshalb. Sie wird ihn treffen und ihm sagen, dass sie Andreas hat und nichts mit ihm will und deshalb seine Essenseinladung nicht annehmen kann. Aber sie wird ihm ein Bier spendieren und nett sein. So wie Freunde. Das ist es, was sie will, ein bisschen Freunde sein.
Vor dem Reihenhaus kniet Herr Schultetee mit rotem Schädel auf einem zusammengefalteten Handtuch und reißt Unkraut aus dem mit Ziegeln eingefassten Beet vor dem Küchenfenster. Die herausgerissenen Teile liegen schon von der Hitze aller Festigkeit beraubt in einem Plastikeimer. Herr Schultetee stöhnt und schimpft vor sich hin. «Viel zu spät. Das kann man jetzt auch gleich vertrocknen lassen, den ganzen Mist. Immer muss ich mich drum kümmern. Das hätte schon viel früher …»
Ava
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