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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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auch nicht.»
    «Wie Ricardo Tubbs aus Miami Vice?», sagt Danilo und strahlt.
    «Wo hast du denn den Anzug her, Danilo?»
    «Den habe ich mir gekauft. Von meinem eigenen Geld.»
    Sie starrt seinen flatternden Anzug an und dann seine Sonnenbrille, in deren Gläsern sie sich spiegelt mit ihrem hellen Haar. Sie kann jetzt nicht das Essen absagen. Er hat sich den Anzug für das Essen gekauft. «Happy Birthday», sagt sie, und ihr fällt auf, dass sie kein Geschenk für ihn dabeihat. «Ich habe gar kein Geschenk.»
    «Ich brauch doch keine Geschenke mehr. Ich bin jetzt erwachsen», sagt Danilo.
    «Mit fünfzehn? Du wirst doch fünfzehn heute, oder? Und du bist mit fünfzehn erwachsen?»
    «Ja.» Danilo nickt und geht los, und sie geht hinterher wie schon immer. Immer latscht sie hinter ihm her, als wäre sie fünfzehn und er neunzehn, und nicht umgekehrt.

    Sie gehen im Hotelrestaurant Zum Roten Tore essen, draußen unter hölzernen Balken, an denen in Plastiktöpfen Blumen hängen, Efeu sich schlängelt, weiße Tischdecken auf den Tischen und Weingläser.
    «Ist doch teuer hier, oder?», fragt Ava Danilo.
    Danilo lächelt. «Reg dich ab, ich lad dich doch ein.»
    Sie setzen sich, und die Kellnerin kommt und bringt die Karte und reicht sie Ava als Erstes, weil sie die Dame ist, denkt Ava und überlegt, ob der Kellnerin der Altersunterschied auffällt und die herzzerreißende Albernheit von Danilos Aufmachung. Aber hier im Restaurantgarten an der weißen Tischdecke und während sie sitzen, macht es sich plötzlich irgendwie auch ganz gut, merkt sie. Und Danilo sieht mit Sonnenbrille so alterslos aus. Wenn man seine Augen nicht sieht, kann man das Alter schlecht sagen. Vor allem, da er so altes Haar hat, überlegt sie. So krauses Haar sieht alt aus, weil man da einfach keinen Popperscheitel und nichts machen kann. Nur so lassen. Und das ist unmodern und von daher alt.
    «Danilo?»
    «Ja?» Er schiebt die Sonnenbrille etwas runter und schaut oben über die Gläser.
    «Weißt du schon, was du isst?»
    «Steak. Und du?»
    «Ich weiß nicht. Soll ich auch Steak essen?»
    «Nein. Du sollst essen, was du magst.»
    «Ich würde vielleicht Königsberger Klopse essen. Das esse ich echt gern. Aber ich weiß nicht.»
    Danilo lächelt sie ganz breit an. «Du Liebling. Iss die Klopse. Das ist doch ein gutes Essen.»
    «Danilo, du sollst nicht Liebling zu mir sagen.»
    «Das war nur aus Versehen. Du Liebling.»
    Ava seufzt. Die Kellnerin kommt, und sie bestellen die Klopse und das Steak und Rotwein. Erst als sie weg ist, fällt Ava ein, dass Danilo fünfzehn ist.
    «Danilo, du darfst überhaupt keinen Rotwein bestellen. Ist dir das klar?»
    «Echt? Dann musst du meinen mittrinken», sagt Danilo. Er freut sich wie ein König. Später schlürft sie ihr drittes Glas Rotwein. Wie ein König, denkt sie die ganze Zeit. Er sitzt da wie König Ricardo Tubbs. Die Kellnerin ist überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass Danilo noch keinen Rotwein trinken darf. Das ist sicher der Anzug. Bei Leuten in Anzügen denkt man so was nicht. Und die Brille dazu. Dass er so groß ist. Alles. Denkt sie. Da denkt man nicht an Alter. An was denkt man dann?, fragt sie sich. Dass er ein Mann ist? Mit Penis? Sie lacht.
    «Was ist denn?», fragt Danilo.
    «Och nichts. Ich hab nur so gedacht.»
    «Was denn? Was denn? Sag doch mal.»
    «Ach … dass du ein Mann bist und einen Penis hast.» Ava muss so lachen, wegen dem, was sie redet, dass ihr Tränen aus den Augen laufen.
    Danilo starrt sie an, die Bedienung kommt und starrt sie an. Danilo sagt: «Das stimmt, das ist nicht zum Lachen, Ava», und Ava bleibt fast die Luft weg. Und mitten in diesem geschüttelten Lachen voller Schmerzen bahnt sich der Wahnsinn seinen Weg, und Trauer ergreift sie, und sie weiß, dass sie Andreas nicht liebt und dass sie niemanden hat und einsam ist wie ein Hund. Sie lacht, und es tut weh, ihr Körper verkrampft sich, und es fehlt ihr die Luft zum Atmen. Danilo bezahlt die Rechnung und steht auf, nimmt Ava an die Hand und geht mit ihr irgendwo lang und irgendwohin.
    Ava ist betrunken, Danilo auch. Sie bleiben auf den alten Steinen sitzen, unter sich das Wasser vom alten Hafen, Danilo schweigt und Ava ebenso. Wörter rasen durch ihren Kopf. Alles ist falsch, alles hört sich falsch an. Sie sollte nach Hause gehen. Noch ist nichts passiert, denkt sie, noch ist ja nichts passiert. Aber es ist ja schon alles passiert.
    Sie dreht sich zu Danilo, der mit den Beinen baumelt und summt. «Wie

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