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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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sich die Finger waschen und trockenföhnen und einen raschen Blick auf sie werfen, die ihre Jeans ausgerechnet an einer Raststätte waschen muss, als hätte sie kein Zuhause und kein Hotel. Als sie mit der tropfenden Hose zurückkehrt, wird ihr erst bewusst, dass dieser staubige Parkplatz mit den matten Grasstreifen und den löchrigen Mülleimern und der Tankstelle im Hintergrund ihr heutiges Zuhause ist. Nebenan der treibende Verkehr, die Fahrer, die auf Klappstühlen sitzen und einen Grill betreiben. Einen Grill betreiben hier an der Autobahn. Und ein Bier trinken und einen Schnauzbart tragen und Karten spielen mit dem Nachbarn. So sieht das aus. Und keine Frau weit und breit.
    «Hast du deinen Freund angerufen?», fragt Stulle.
    Ihren Freund? Danilo. Sollte sie Danilo anrufen? «Er ist nicht da. Er ist an der Ostsee.»
    «Meinst du nicht, dass er vielleicht nicht gefahren ist?»
    «Wieso? Er ist gefahren. Er war doch mit seinen Freunden verabredet.»
    «Aber auch mit dir. Das ist ihm doch sicher wichtiger.»
    «Da irrst du dich.»
    «Na, komm, das sagst du so, aber ich wette, er ist ganz schön fertig.»
    Ist Danilo fertig? Sie weiß gar nicht, wie das aussieht, wenn Danilo fertig ist. Er war noch nie fertig, jedenfalls nicht so, dass sie es gesehen hätte. Alles perlt an ihm ab, als könnte ihm nichts etwas anhaben. «Danilo ist nicht so. Vielleicht ist er fertig, und vielleicht wird er auch etwas wütend, aber das merkt keiner. Er merkt es vielleicht selbst nicht. Er fährt auf jeden Fall mit Florian und den anderen in den Urlaub, glaub mir. Er denkt sicher, ich komme wieder oder es stimmt nicht, dass ich mit dir unterwegs bin, oder es kann nicht stimmen oder so was in der Art. Ich weiß eigentlich gar nicht, was er denkt. Aber ich mache mir keine großen Sorgen um ihn.»
    «Krass. Da wacht der auf, und seine Freundin ist weg und ist mit einem anderen Typen abgehauen, obwohl sie morgen mit ihm in Urlaub wollte. Da hat der sich wahrscheinlich drauf gefreut, und nun, denkt er, bumst sie mit einem anderen und hat ihm nichts davon gesagt. Schock.»
    «Nein, nein, nein», sagt Ava. «Du verstehst es nicht, Danilo ist nicht so. Schock ist nicht bei ihm. Er steht auf, liest den Zettel und denkt kurz und fährt dann in den Urlaub.»
    Stulle wiegt den Kopf hin und her und öffnet eine Flasche Bier und reicht sie Ava, ohne zu fragen, und öffnet eine zweite und stößt mit ihr an.
    Er sagt: «Der liebt dich vielleicht nicht so doll.»
    «Oh», sagt Ava, fast empört über diesen Gedanken. «Manchmal denke ich, der liebt in seinem ganzen Leben nur noch mich und sonst niemanden mehr, nicht mal seine Mutter. Und das soll für immer so bleiben.»
    «Wie kommst du denn auf so einen Schwachsinn?», sagt Stulle und schüttelt den Kopf.
    «Das kannst du eben nicht verstehen, weil du ihn nicht kennst, ich könnte es ja selber nicht verstehen, vielleicht ist es auch nicht so, vielleicht kommt es mir nur so vor, weil ich es gerne so hätte.»

    Als es dunkler wird und drüben die Lichter vorbeiflitzen und Stulle geduscht hat und Ava nicht, da liegen sie in der Kabine, jeder auf seiner schmalen Matratze, und sehen einen Film in einem kleinen Schwarzweißfernseher. Es ist ein Film über Bären. Bären reden nicht. Sie machen nur so ihre Sachen und fangen Fische und spielen mit ihren Kindern und bestreiten Kämpfe, aber sie reden nicht. Das ist einfacher, denkt Ava. Das ist einfacher. Stulle guckt von oben runter und fragt: «Willst du Sex?»
    «Nein.»

    Am Morgen, sehr früh, kocht Stulle Kaffee, und der Dampf sitzt an den beschlagenen Scheiben. Es ist feucht und kühl, und Avas Decke ist zu dünn. Es ist Stulles Decke von zu Hause mit den Bären und Elefanten, der gleiche Bezug jedenfalls und tröstlich und traurig und komisch, alles zugleich.
    «Wir sind noch nicht einmal in Belgien», ist Stulles erster Frühmorgensatz, mit dem dampfenden Kaffee in der Hand und einem verknitterten Gesicht.
    «Ist das schlimm?», fragt Ava und denkt sofort, dass es schlimm ist, weil Stulle es gesagt hat.
    «Wir sind immer noch in Deutschland», sagt Stulle, wie als Antwort darauf, ob es schlimm ist.
    All das, weil Ava ihre Sonnenbrille nicht abgenommen hat. Das hat solche Folgen. Sie streckt sich unter der Decke. «Wieso sind zwei Betten in einem Lkw, Stulle?»
    «Was denkst du? Es können zwei Fahrer mit dem Lkw fahren, abwechselnd, und können dann beide hier schlafen.»
    «Echt? Und warum fährst du allein?»
    «Zum Glück. Stell dir vor, du

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