Eheroman (German Edition)
von Anfang an im Schloss klemmende und nur mit Gewalt zu öffnende Tür von innen ab und hebt den Deckel der Toilette und schließt ihn wieder, da Widerliches düster aus dem Abgrund heraufdrängt. Sie nimmt ihre Brille nicht ab, um sich einen genaueren Eindruck zu verschaffen, aber die Toilette ist eindeutig verstopft. Die Toilette ist verstopft, und die von Anfang an klemmende Tür geht auch mit Gewalt nicht mehr auf. Soweit das. Ruhig bleiben, denkt Ava sich, Leute sind ja hier jede Menge unterwegs. Ruhig bleiben und weiter mit Gewalt schließen und ruckeln. Dann steigt sie auf den geschlossenen Deckel der Toilette, aber zwischen Toilettenwand und Decke ist nicht viel Platz. Ältere Damen in Mengen betreten die Sanitärräume, kann sie von oben überblicken.
«Hallo», spricht sie alle gemeinsam an, «ich bin eingeschlossen. Die Tür klemmt, und ich bin eingeschlossen. Könnten Sie vielleicht eben Bescheid sagen, irgendwo, damit ich hier wieder herauskomme? Das wäre sehr nett.»
Die älteren Damen in ihren farbigen Blusen und T-Shirts mit Applikationen starren sie von unten an, mit offenem Mund. Eine Dame sagt: «Die Toilette ist defekt. Das steht doch da.»
«Ja. Wo steht das?»
«Das steht an der Tür», sagt die ältere Dame, «haben Sie das nicht gelesen?»
«Wohl nicht. Es war so dunkel auf einmal», sagt Ava und schiebt ihre Brille hoch in die Stirn.
«Ich geh mal Bescheid sagen», sagt eine andere ältere Dame mit einem Schwitzrand am Rücken.
«Danke», sagt Ava.
«Versuchen Sie es doch noch mal», sagt die erste Dame, und Ava ruckelt am Schloss herum, bis es sich überhaupt nicht mehr bewegt. «Es geht gar nicht mehr», sagt sie, «es hakt.»
Die älteren Damen gehen nacheinander strullen, und Ava will nicht hinhören, aber sie hört und riecht unfreiwillig alles. Dann gehen sie wieder, und es ist still, und Ava fragt sich, ob jemand Bescheid gesagt hat und jemand kommt, um ihr zu helfen. Die Tür klappt, und Ava steigt wieder auf das Klo.
«Brauchen Sie Hilfe?», fragt eine blasse Frau in einem weißen Jogginganzug, den Blick hoch zu Ava gerichtet. Ihr Kind sagt: «Ich muss.»
«Ich weiß nicht, ich habe schon Bescheid sagen lassen, dass ich eingeschlossen bin, aber ich weiß nicht, ob das angekommen ist. Bisher ist noch niemand gekommen, um mich herauszuholen.»
«Ach, wie unangenehm», sagt die Frau.
«Was macht die Frau da?», fragt das Kind.
«Die Frau ist in der Toilette eingeschlossen», sagt die Frau.
Dann kommen eine Frau mit einem Kittel und ein Mann mit einem Werkzeugkasten herein. «Toilette defekt», schnauzt die Kittelfrau, «können Sie nicht lesen?»
«Ich hab’s nicht gesehen», sagt Ava. «Es war so dunkel plötzlich.»
«Ach wat, dunkel, ist doch taghell hier. Müssen immer schlauer sein. Wenn da steht defekt, dann isses auch defekt.»
Der Mann fummelt an dem Schloss herum. Ava denkt an Stulle. Stulle wartet sicherlich. Stulle wollte nur kurz halten wegen der Sonnenbrille. Und zum Pinkeln. Ava muss immer noch pinkeln. Plötzlich so dringend, dass sie schon Schmerzen verspürt. Sie öffnet den Deckel, ein Gestank zieht aus dem verstopften Klo hoch, sie schließt den Deckel schnell wieder. Sie kann jetzt wohl kaum pinkeln, wenn die Leute alle vor der Tür stehen. Sie muss warten. Sie muss. Aber das Fummeln an der Tür dauert. Warum bricht er die Tür nicht einfach auf? Es ist doch nur eine klapprige Sperrholztür.
«Können Sie die Tür nicht aufbrechen?», fragt Ava.
«Dann kannste gleich ne neue Tür kaufen», schnauzt wieder die Frau. «Dat kost doch Geld.»
«Ich hab’s gleich», sagt der Mann. Dann hat er es aber nicht gleich und macht so weiter. Dann sagt er: «Ich hol mal das Stemmeisen.»
«Mann, jetzt geht es alles kaputt», sagt die Frau.
«Das tut mir leid», sagt Ava.
«Ja, mir auch», sagt die Kittelfrau.
Dann ist der Mann weg, und Ava pinkelt sich fast ein. Sie sagt sich: Du bist in einer Toilette und pinkelst dich fast ein. Das ist bescheuert. Verstopft oder nicht verstopft, es ist egal, es kommt nicht drauf an. Deshalb tut sie es und öffnet den Stinkbrunnen und pinkelt auf das volle Klo und betätigt aus einem Reflex heraus die Spülung und sagt im gleichen Moment: «Scheiße, Mann, Scheiße.»
Detlef sitzt draußen auf der untersten Stufe des Lkw-Einstiegs und raucht. Er sagt nichts. Ava weiß, was los ist. Sie hatten gerade erst eine Rastpause, und jetzt haben sie schon wieder eine Rastpause, eine von über einer Stunde. Sie hat auf die Uhr
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