Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
Vom Netzwerk:
lustig in Kneipen rumhüpfen, nichts. «Komm doch mit», hatte Danilo gesagt. «Bleib doch hier!», hatte sie geantwortet. Was um alles in der Welt hat sie noch in einer Kneipe verloren, wo es verqualmt ist und Danilo die ganze Zeit diskutiert und alle auf die hereinwehenden Schönheiten starren, die in Lackstiefeln vom Flohmarkt, szenig gekleidet und die richtigen Sätze auf den Lippen, ihre Plätze einnehmen?
    Was soll da sie?
    Ihre olivgrüne Hose hat ein sehr dehnbares Gummibund und ist relativ preisgünstig bei H&M erworben. Nicht, dass sie neidisch wäre, aber sie wäre da einfach falsch. Und hier am Küchentisch in Hamburg Altona, allein mit einem Vanillejoghurt der tickenden Uhr zuhörend und sich allein fühlend, ist sie hier richtig?
    Danilo hatte sich so gefreut, als sie schwanger wurde. Er war vor Freude eine Zeitlang wie auf Zehenspitzen gegangen. Und hatte sie angesehen wie einen Schatz. Sie hatte sich auch gefreut, verhaltener als Danilo, denn ihr war vieles klarer gewesen als ihm. Die Arbeit und die Anstrengung, die bevorstünden, davon hatte sie schon so eine Ahnung gehabt, von Anfang an. Aber sie war achtundzwanzig Jahre alt, und es schien ihr auf eine sehr vernünftige Weise an der Zeit für ein Kind. Es war an diesem sehr sachlichen Gedanken nichts Unangenehmes gewesen, sondern im Gegenteil eine große, strömende Freude von ihm ausgegangen, so wie Freude auch von sich ändernden Jahreszeiten ausgehen kann.
    Danilo verhielt sich auf eine kindliche Art überschwänglich. Er brachte Sachen an, einen gebrauchten Kinderwagen zum Beispiel, kaum war die Schwangerschaft bestätigt, einen gebrauchten Kinderwagen mit einem rosenübersäten Inlett, von der Mutter seines Professors selbst genäht, der Wagen hellblau mit einem weißen Streifen an der Seite, nicht mehr ganz der neuesten Mode entsprechend. Wie auch? Der Sohn des Professors könnte inzwischen selbst Vater sein. Das Roseninlett, hat sich Ava überlegt, ist für ein Mädchen gemacht, während der Wagen, der blauen Farbe wegen, für einen Jungen gedacht war. Wobei ein blauer Wagen für ein Mädchen auch geht, ein rosafarbener hingegen nicht für einen Jungen, so war die Logik schon immer, ein Mädchen kann hellblau sein, ein Junge hingegen nicht rosa.
    Ist es das, womit Ava ihren Kopf anfüllt, ist es das, was in Avas Kopf drin ist, Gedanken über Babyfarben? Sie wirft den Joghurtbecher in den Müll und schleppt sich ins Wohnzimmer und schmeißt den Fernseher an. Im Fernsehen agieren Leute. Ava verfolgt kaum, was sie tun, sie schreien sich an. Na und? Ava starrt nur hin und hört in ihrem Kopf immer noch das Ticken des Sekundenzeigers. Will Danilo nicht nach Hause kommen? Nein. Es ist noch nicht einmal zehn. Er kommt nicht am Samstagabend um zehn Uhr nach Hause. Er kommt um eins oder um zwei oder möglicherweise auch um sechs, wenn sie endlich schläft, hoffentlich. Das Baby tritt. Kaum ist sie am Einnicken, da tritt es. Seit einigen Wochen arbeitet sie nicht mehr, sie ist von der Arbeit befreit und ruht sich aus. Sie hat das Gefühl, dass Danilo auf sie herabsieht, weil sie zu Hause rumsitzt und nichts tut. Vorher hat er auf sie herabgesehen, weil sie arbeitete. So wenden sich die Dinge und bleiben doch gleich.
    Sie steht auf und schleppt sich müde in die Küche und wirft einen Blick auf die Uhr. Es ist zehn nach zehn. Die ganze lange Zeit, in der sie auf den Fernseher starrte und Unmengen an Gedanken wälzte, die ganze Zeit beläuft sich auf zwanzig Minuten in der Wirklichkeit!
    Sie könnte jemanden anrufen und sich unterhalten. Aber wen? Wer will sich anhören, dass es nichts gibt, über das es sich zu unterhalten lohnen würde. Außer: «Das Baby hat getreten. Mir geht es gut. Ja, es kommt am zehnten. Wir haben schon einen Kinderwagen. Eine Wickelkommode auch. Ich freue mich auch.» Und so fort. Niemand will das hören, es sei denn, er bekommt selber ein Baby. Und dann ist Ava unendlich gelangweilt. Sie will gar nichts über anderer Leute Babys wissen. Über ihre Bäuche und Brüste und darüber, wie sie sich fühlen.
    Sie könnte sagen, im Geburtsvorbereitungskurs, wo Danilo immer sehr bei der Sache ist, das muss man schon sagen, gerechterweise, da könnte sie sagen: «Hallo, ihr schwangeren Frauen, sitzt ihr auch am Küchentisch vor der tickenden Uhr und wartet, dass die Zeit vergeht, aber sie vergeht nur ganz langsam? Tiiiiick. Tiiiiiüüüück. Tüüüück. Und denkt ihr auch, dass ihr nicht so glücklich seid, wie ihr es sein müsstet?

Weitere Kostenlose Bücher