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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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Will euer Freund euch auch nicht mehr anfassen, oder wollt ihr selbst nicht mehr angefasst werden, vor allem nicht innen drin, wo der arme Wurm sitzt, dem man doch nicht mit dem geilen Schniedel an den Kopf wummern will?»
    Nein. Es geht eher um Details der Ausrüstung für ein Baby. Es geht um Details der richtigen Geburt, wie man sie sich wünscht. Wie wünscht sie sich die Geburt? Keine Ahnung. Woher soll sie das wissen, wenn sie es nicht vergleichen kann, mit anderen Geburten? Danilo ist fast süß in der Geburtsvorbereitung. Es ist vielleicht das Einzige, was er wirklich tun kann, und das ist rührend, wie er sich bemüht, etwas zu tun, obwohl er in Wirklichkeit gar nichts tun kann, überhaupt nichts. Und dass er so einer wäre, der Übungen auf Matten macht und in der Gemeinschaft turnt, das kann man nun nicht sagen, aber er tut es, weil er alles richtig machen will, mit seinem Kind und ihr und allem.
    Aber das ist genau der Punkt. Er hakt das ab wie eine Semesterarbeit. Was das wirklich Riesiges, Allesüberwältigendes mit ihr und ihrem Leben gemacht hat, davon hat Danilo keinen Schimmer, obwohl er neben ihr schläft und schnarcht und mit den Händen nach ihrem prallen Bauch greift. Avas Bauch, der schöne, schlanke, hat hässliche kleine Risse bekommen, kaum zu sehen, aber da und nie wieder zu reparieren, obwohl sie geölt hat wie verrückt.
    Ölen und Essen. «Iss nicht so viel», sagt Danilo immer, «sonst kriegst du es nicht mehr runter.» Schon klar, aber Essen geht. Vieles geht nicht. Essen geht ganz gut und macht Spaß. Und fett ist sie sowieso. Es fällt gar nicht auf. Keiner kann über ihre Figur meckern. Nicht mal sie selbst, obwohl sie heulen könnte. Das Kind tritt, heftig, beinahe schmerzhaft. Ja, tritt du nur! Und wenn das Kind da ist, fällt Ava ein, dann geht es nie mehr weg. Dann hat sie den Ärger und die Arbeit, die ganze Zeit. Der Gedanke erreicht ihr Herz und überflutet es heiß. Es geht nicht mehr weg. Auch wenn Danilo weg ist, sogar wenn sie keine Lust mehr hat, das Kind wird da sein, einfach immer, es wird nie weg sein. Kurz freut sie sich so wahnsinnig, dass es fast weh tut. «Nun gut», sagt sie zu sich selbst und steht auf. Im Kühlschrank ist noch Eis. Party für Ava und Baby. Die anderen hauen schließlich auch rein, jeder, wie er kann.

    Im Geburtsvorbereitungskurs ist eine Frau, sie heißt Merve, die ohne Mann teilnimmt, weil sie keinen hat. Das Kind ist wohl nicht ohne Mann entstanden, aber sie sagte gleich zu Anfang, als alle sich vorstellten: «Einen Vater gibt es nicht.» Das hat zu Spekulationen geführt, denn einen Vater gibt es sicherlich schon, nur dass er es entweder nicht weiß oder es nicht wissen will. Keiner sagte etwas dazu, alle lächelten, wie Lächeln so der allgemeine Gesichtsausdruck im Geburtsvorbereitungskurs ist. Jeder in einem Geburtsvorbereitungskurs will freundlich und offen sein. Ava natürlich auch. Sie geht mit Merve zur S-Bahn, während Danilo von seinem Freund Christopher einen Wohnungsschlüssel für einen anderen Freund, Fadil, abholt, mit dem er nach dessen Ankunft aus Istanbul noch einen Tee trinken will. Einen Tee, wohlgemerkt. Das erzählt Ava Merve auf dem Weg zur S-Bahn und wundert sich, dass sie ausgerechnet das Teetrinken so aufregt. Merve nickt. Sie ist dünn, fast dürr, trotz der Schwangerschaft, die Arme mager, die Schultern kaum gerundet, die Haare rötlich, lang und glatt hinter ihren Ohren herunterhängend, auf ihre nur leicht geschwollenen Brüste. Sie trägt meistens ein Männer-T-Shirt mit einem Aufdruck von Sonic Youth, dazu weite Schwangerschaftsjeans zum Binden. Ihr Gesicht ist blass und zart, ihre Nase groß und schmal, alles an ihr zerbrechlich und im Gegensatz zu ihrer Ausdrucksweise stehend.
    «Du willst also dein Kind allein aufziehen», sagt Ava.
    «Muss ich wohl», sagt Merve.
    «Musst du?»
    «Der Vater ist ein Assi.»
    «Weiß er von dem Kind?»
    Merve schüttelt den Kopf. «Er weiß es nicht, und er wird es auch nicht erfahren.»
    «Aber das Kind wird es vielleicht irgendwann wissen wollen, oder?»
    «Möglich. Dann werde ich mich schuldig fühlen und es ihm sagen.»
    «Wenn du dich jetzt schon schuldig fühlst, warum machst du es nicht anders, jetzt schon?»
    «Ich sagte doch, der Vater ist ein Assi. Er sieht gut aus, das ist alles. Es war nur ein Irrtum, einmal in einer einzigen verschissenen Nacht. Und dann gleich so. Kondom alt, rissig, er hatte uralte Kondome bei sich rumliegen, wie kann man so bescheuert sein,

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