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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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hatte mal eine, die war verklemmt. Ich hab mich echt bemüht, aber sie war so bocklos, dass ich echt dann auch die Lust verloren habe. Obwohl sie sonst echt nett und hübsch und alles war, aber sie war irgendwie nicht so auf Sex. Aber bei der bin ich mal so … Also, es war so, dass ich wollte, und sie hat nie nein gesagt, sie hat sich immer schnell rumkriegen lassen und hat sich ausgezogen und war auch für Dessous und so, weißt du? Aber das mehr, weil sie sexy sein wollte, mache ich mir da so meinen Reim drauf. Sie wollte sexy sein, war aber kalt wie ein Fisch. Ich geb mir also Mühe und Mühe und sehe schon ein, dass es nicht viel bringt, und mach aber dann weiter und bin schon irgendwie genervt und wütend und mach immer so weiter, und dann – bin ich so dermaßen abgegangen wie sonst nie und nie wieder. Obwohl sie ein kalter Fisch war und ich bocklos geworden und alles, aber es war Wahnsinn, es war so Wahnsinn! Verstehst du das?»
    Ava versteht das sogar sehr gut. Sie denkt an die Nacht im Hotel an der Straße. Sie denkt an sich, wie es war und wie sie jetzt fertig ist mit Stulle, obwohl es so war, und ihr wird klar, dass ihre Frage dumm war und ohne Bedeutung. Natürlich ist sie nicht der kalte Fisch, aber das ist auch schon alles, was es über sie zu sagen gibt und was irgendwie im Allgemeinen von Bedeutung wäre. Im Einzelnen ist es eine Frage von zwei Leuten und wie sie zueinander stehen. Im Einzelnen ist alles anders.

    Stulle holt in Navais, Póvoa de Varzim, Portugal, die grünen Tomaten ab. Er stellt die Kühlung an und fährt mit Ava zurück. Sie übernachten nicht mehr in Hotels. Ava schläft nicht mehr mit Stulle. Sie mag ihn nur. Mehr als vorher. Als könnte er ein Freund von ihr werden. Aber das kann er nicht, das hat er ihr schon gesagt. Die Straße auf sie zu, der Heimat entgegen, was ist das? Wie bedrohlich ist das? Heimat?
    Wenn man wegfährt, und die Heimat wird klein, dann ist sie wie ein toter Freund, man verzeiht ihr alles und denkt sie sich schön, aber wenn man auf sie zufährt, dann ist sie so verpflichtend und so wichtig, und all das fällt Ava wieder ein, je näher die Stunden und Tage sie ihrer Wohnung, der Wohnung mit Danilo, bringen. Sie sehnt sich danach, dass die Ferien vorbei sind und sie ganz normal ihrer Arbeit nachgehen und den ganz gewöhnlichen Feierabend herbeiwünschen kann, dann ist alles wieder normal und nicht so aus dem Gleis. Aber das dazwischen würde sie gerne überspringen. Das Ankommen. Das Ankommen baut sich riesig über ihr auf. Was hat sie nur getan?
    Stulle kriegt das ein oder andere mit. Er schweigt viel dazu. Aber einmal sagt er: «Was wird er wohl sagen?», und Ava weiß, dass «er» der große «er» ist, den auch sie meint. Danilo, der Verlassene, der Betrogene, der durch sein Verlassensein und Betrogensein riesig geworden ist. Der Trotz ist weg, ist in Ava verschwunden, der Trotz, mit dem sie losfuhr und sich alles traute. Der Trotz ist in Portugal geblieben oder im Comfort Hotel Loreak, als sie nahm, was ihr geboten wurde, als hätte sie ein Recht zu solcher Gier und Maßlosigkeit. Und was hat Danilo denn eigentlich getan? Kann sie sich noch daran erinnern? Sie erinnert sich. Sie erinnert sich in der Nacht, auf der Pritsche unter Stulle, der sich auf seiner Pritsche über ihr hin und her wälzt, weil er jetzt in Ava verliebt und traurig ist und jede Minute trauriger wird und kaum noch mit ihr redet. Auch das ist ihre Schuld. Und Stulle muss es neben ihr aushalten, obwohl er es nicht mehr aushält. Und sie muss es aushalten, dass er es aushält. Und in Deutschland ist so dicker Verkehr und Stau, sie kommen kaum voran.
    «Stau», sagt Stulle.
    «Ja», sagt sie. So sieht ihre Konversation nun aus.
    Draußen stehen Leute auf der Autobahn zwischen den Pkws und strecken sich und steigen wieder ein, Gehupe, ein Hund wird an die Seite geführt, ein kleiner brauner Hund, er geht noch auf der Straße in die Hocke und jault, und eine Pfütze läuft auf die dampfend heiße Fahrbahn. Ava kann auf alle herabsehen, Ava sitzt hoch oben neben Stulle, rechts neben ihnen hinter staubigen Büschen ein Weizenfeld, ein riesiges, goldenes Weizenfeld, und über ihnen ein weißblauer Himmel, eine glühend weiße Sonne, und weiter hinten, von Osten her tauchen hakenartige, federige weiße Wolken auf wie eine Drohung, die Ankündigung kommenden Unheils. Flirrende Luft zwischen den Fahrzeugen. Kinder heulen. Dann bewegt es sich wieder einige Meter der einengenden Baustelle

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