Eheroman (German Edition)
noch mehr hin. Eigentlich zog es sich schon den letzten Monat hin. Und Danilo geht mir auf die Nerven mit seinem Tee.»
«Mit seinem Tee?» Joachim runzelt die Stirn und steht auf und läuft in der Küche ein paar Schritte hin und ein paar Schritte her.
«Bist du schon wieder so unruhig, dann geh doch raus und lass uns mal in Ruhe hier reden!», schnauzt Beate ihn an.
Joachim setzt sich wieder hin und springt dann aber wieder auf und schnappt sich seine karierte gefütterte Jeansjacke vom Stuhl.
«Ich geh zu Saturn, mal gucken.»
«Geh mal», sagt Beate. «Kommst gegen fünf wieder vorbei.»
Joachim verschwindet, und Ruhe kehrt ein. Ava spürt das Baby sich von links nach rechts wälzen. In letzter Zeit wälzt es sich mehr, als dass es tritt. Es hat wohl kaum noch richtig Platz zum Treten.
«Was ist mit dem Tee?», fragt Beate. Ihr Haar ist orange gefärbt und kurz geschnitten, ihre Gesichtszüge schmaler und strenger. Ihr ganzes Wesen scheint plötzlich erwachsen geworden zu sein. Vielleicht nervt dieser Musiktyp sie, denkt Ava. Vielleicht tut Beate dieses Zeug nicht gut. Theater und alles. Sie sieht so genervt aus. Oder es ist das Krankenhaus. Oder alles.
«Er trinkt schwarzen Tee vom Türken und gießt ihn so irgendwie besonders auf, in zwei Kannen. Und sitzt immer an seinem Tisch und schreiiiibt und liiiiest und trinkt Teeeee. Bescheuerten Tee.» Ava schwitzt plötzlich stark am ganzen Körper.
«Mann, Ava. Was ist denn los?», sagt Beate ganz weich und besorgt und beugt sich rüber und legt ihren orangefarbenen Igelkopf an Avas ran.
Ava zuckt mit den Schultern. Sie weiß es nicht. Wenn man es so erzählt, mit dem Tee, und wie es sich hinzieht – das ist alles kein Grund, aggressiv zu werden. Draußen ist es grau und dunkel, obwohl es erst drei Uhr ist. Danilo ist unterwegs, Lebensmittel einkaufen. Beate und Joachim bleiben vielleicht zum Essen, vielleicht kochen sie zusammen, alles ist doch ganz nett.
«Hartwig heiratet», sagt Beate leise, ihr Kopf immer noch an Ava gelehnt.
«Was?»
«Ja, die Ärztin, Frau Dr. Brackwerth, die heiratet er.»
«Du spinnst!»
«Wenn ich es dir sage. Es ist so. Er heiratet die.»
Ava nimmt Beate die Flasche aus der Hand und nimmt selbst einen Schluck von dem Bier, das ihr bis eben gerade gar nicht schmeckte.
«Es ist ein Skandal», sagt Beate und grinst.
«Die ist doch älter als er, oder?»
«Sie ist zehn Jahre älter, fast elf. Und hat ein Kind.»
«Skandal, Skandal, Skandal», sagt Ava und ist so neidisch auf Beate und fast sogar auf Hartwig, weil es so interessant ist. Wenn sie im Arbeitsleben stünde, dann hätte sie so vieles zum Denken und bräuchte nicht immer über dieses Kind nachdenken und darüber, wie es sich fühlt, und bräuchte vielleicht auch nicht immer so wütend auf Danilo sein, weil der ihr nichts, aber auch gar nichts an Abwechslung bietet.
Beate stellt sich hin und schaut aus dem Fenster auf die matschige Straße und den Verkehr. Im verfaulten Blumenkasten, der vor Avas Küchenfenster montiert worden ist, von den Vormietern, steckt ein silbernes Herz an einem Stab zwischen den schwarz erfrorenen Grashalmen. «Bist du eifersüchtig auf den Tee, Ava?», fragt Beate, während sie sich zu Ava umdreht.
Ava zuckt mit den Schultern.
«Ein Tee, das ist nicht mal eine Person, das ist echt sehr dumm, Ava.»
Später ist Joachim wieder da, und Danilo hat Hackfleisch gekauft und Paprikaschoten, und sie füllen die Schoten mit dem Hackfleisch und hören dazu «Ten» von Pearl Jam, weil das die einzige Grungemusik ist, die Danilo zufällig in seinem CD-Regal stehen hat. Er hatte sie mit Ava zusammen auf dem Flohmarkt in Eimsbüttel erworben, sie lag in einem Karton zwischen jeder Menge anderer CDs eines Menschen, der seine sämtliche Musik aussortiert hatte oder vielleicht gestorben war. Von Pearl Jam hatte er eine ganze Menge, aber Danilo entschied sich für jene erste CD, weil ihm das Cover mit den Händen gefiel.
Danilo und Joachim unterhalten sich über die Schwierigkeiten im Umgang mit Menschen, die Musik in einem Laden erwerben, über die Schwierigkeit des Plattenverkaufens, weil die Leute die Platten mit ihren Fingern herausnehmen und anfassen , und wie es vorkommt, dass man eine Platte versteckt, weil man sie nicht verkaufen will. Danilo hat selbst eine ganze Menge Platten und einen etwas älteren Dual-Plattenspieler, den sie sich ansehen und für gut befinden. Joachim hat sich bei Saturn «Around the Fur» von Deftones gekauft. Die
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