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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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packen sie aus und legen die Scheibe auf den Plattenspieler, vorsichtig wie ein Baby, und stellen dann laut.
    Ava verlässt mit Beate das Zimmer.
    «Sone Scheiße», sagt Beate. «Jungs.»
    «Beate, liebst du ihn?», fragt Ava.
    «Na, irgendwie schon, nich?», sagt Beate.

    Das Kind kommt an einem eisigen Tag im Januar, nach ewig langen, dunklen Tauwettertagen, als der Wind die Wolkendecke aufreißt und die kalte Sonne den Schmutz der Stadt entblößt. Der schwarze Schnee ist zu glasigen, sandigen Eishaufen zusammengekrochen, graumatschige Silvesterabfälle liegen zertreten auf den Gehwegen und an den Rändern der Straßen. Ava sitzt auf dem Rücksitz eines blassgelben Mercedes-Taxis, das sie zum Altonaer Krankenhaus fährt, und haut sich mit den Knöcheln ihrer Hand auf ihr geschwollenes Knie, das gerade noch unter ihrem Bauch hervorschaut. Sie haut rhythmisch auf ihr Knie und kaut zwischenzeitlich auf ihren Nägeln.
    «Ruhig bleiben», sagt Danilo und dreht sich lächelnd um.
    Ava sagt nichts, der Taxifahrer ist schließlich auch noch da.
    Möglicherweise sind sie zu früh, man fährt immer zu früh, beim ersten Kind, sagen die meisten, die irgendwas wissen wollen. Aber ihr kommt es gar nicht früh vor, ihr kommt es heftig vor, was passiert, und es macht ihr tatsächlich Angst.
    «Danilo, dreh dich nicht immer um!»
    «Nein, mach ich gar nicht.»
    «Machst du schon.»
    «Warum soll ich denn nicht?»
    «Siehst du, machst du nämlich doch.»
    So geht es weiter, immer weiter, ob auf dem Sofa oder unter der Geburt, so heißt es nämlich, unter der Geburt und nicht etwa während der Geburt, Streit bis zum bitteren Ende. Es ist vielleicht auch beruhigend, dass es so ist, wenn Danilo jetzt plötzlich damit aufhören würde, oder, noch schlimmer, wenn sie damit aufhören würde, das wäre doch beängstigend.
    Aber Ava hat bald keine Zeit mehr für solche Gedanken. Ava denkt nur noch ganz andere, gar nicht hübsche Gedanken. Ava bekommt ihr Kind viel schneller als gedacht, es geht schneller, als die Hebammen gedacht hätten, und das ist weniger schön, als sie sich das vorgestellt hatte, obwohl sie es sich schon schlimm und gar nicht schön vorgestellt hatte. Aber das Schlimme ihrer Vorstellung ist noch gut gegen das, was dann wirklich ist. Und Danilo steht da und schaut und sagt ausschließlich so bescheuerte Sachen, dass sie ihm wirklich richtig eine knallen könnte.
    Ava schreit und brüllt und atmet und will nicht mehr mit Schreien weitermachen. Aber sie schreit wieder, und es ist ihr langsam sehr unrecht, dass Danilo mit seinem behämmerten Schafsblick dasitzt und sich das ansieht.
    «Geh doch mal raus!», sagt sie ihm, ganz heiser, in einer Wehenpause.
    «Ist das dein Ernst?»
    «Das ist mein Ernst. Geh endlich raus hier!»
    Danilo sieht wie ein Schaf, wie ein dämliches Schaf, zu der Hebamme hin, die ihre kräftigen braunen Arme in die Seiten stemmt und lächelt. Als hätte die das zu sagen. Und nicht Ava. Die Hebamme, Schwester Jeanette Padeng, Jeanette ausgesprochen mit dem e hinten, wie nette, aber so nett wirkt sie glücklicherweise nicht, sondern energisch, sie sagt: «Gehn Sie schon, wenn sie es sagt!»
    Da geht er. Langsam nur und enttäuscht im Gesicht und in seiner ganzen Bewegung, steht er auf und verkrümelt sich raus. Es tut ihr leid. Aber die Wehe kommt und rollt über sie rüber, und sie brüllt, und niemand tut ihr mehr leid, außer sie sich selbst.

    Das Kind ist ein Mädchen und soll den Namen Dana bekommen. Das ist Danilos Idee gewesen und soll eine Mischung aus Danilo und Ava sein. Das klang bisher vernünftig, kommt Ava aber nun nicht mehr vernünftig vor, weil Dana sich anhört wie Damenbinden oder kalorienreduzierter Joghurt, oder es liegt an ihrer Reizbarkeit nach der Geburt. Sie hält das zerknitterte Mädchen mit dem roten Gesicht in ihrem Arm und schnuppert an ihm, denn es riecht so süß wie ein kleiner Pfirsich und gar nicht nach Blut und Sauerei, wie es vor kurzem noch aussah.
    «Dana soll sie nicht heißen», sagt Ava glücklich und wie senil grinsend, als hätte sie einen Krampf im Gesicht.
    «Sondern», sagt Danilo und ist immer noch ein bisschen geknickt, weil sie ihn rausgeschmissen hat.
    «Merve, das ist ein schöner Name.»
    «Merve?», schreit Danilo fast, wenn auch gepresst leise, «so heißt doch die Verrückte aus dem Geburtsvorbereitungskurs.»
    «Ja», sagt Ava, «sie ist ja meine Freundin.»
    «Und deshalb nennst du mein Kind jetzt Merve?»
    «Unser Kind nenne ich

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