Eheroman (German Edition)
einen echten Kaffee, der nicht entkoffeiniert ist. Die schläft so und so nicht, denkt sie, mit oder ohne Kaffee in Avas Busenmilch, also was soll’s.
«Geh zum Kinderarzt!», sagt Danilo, der schwungvoll die Tür zur Küche öffnet, während Merve drüben im Wohnzimmer auf dem Teppich plärrt, und holt sich Nachschub an schwarzem Tee aus dem Schrank für sein Arbeitsleben im Bodenzimmer.
Ava sagt nichts. Sie war beim Kinderarzt. Der Kinderarzt war zufrieden. Das Kind gedeiht. Es nimmt zu, es wächst, seine Körperspannung wird besser, und es ist zunehmend wacher, also gedeiht es. «Aber es schreit die ganze Zeit», hatte Ava gesagt, «es ist fast immer wach, wacher geht es schon gar nicht mehr.» Er hatte gelächelt, ein grauer, stoppelhaariger Mann mit einem kleinen Bauch unter dem Arztkittel und orangefarbenen Stricksocken über den Füßen in seinen bequemen neuen Biolatschen, er hat schon zehntausend schreiende Babys kennengelernt und ebenso viele verzweifelte und hysterische Mütter. «Irgendwann hört das auch auf», hatte er gesagt und ihr die Hand auf den Arm gelegt und ihr gütig und wissend in die Augen gesehen. Das war alles. Sie glaubt ihm sogar, auch wenn sie es kaum glauben kann, im Moment. Sie kann nur darauf warten, dass «irgendwann» endlich rankommt.
Danilo kommt spät nach Hause. Er war mit den Jungs und den Mädels aus dem Kant-Seminar einen trinken. «Wir gehen noch einen trinken, Ava.»
«Ja-ha. Viel Spa-haß.» Ava hasst «einen trinken». Es kommt ihr wie ein ganz blöder Ausdruck vor. Einen trinken heißt mehrere trinken und heißt einfach mit lustigen, netten Leuten in die Nacht hinausgehen und nicht nach Hause in die Windel-verschissene, verheulte Bude kommen. Ava hatte Babymerve bis 1:30 Uhr herumgetragen und hoch und runter und hoch und runter geschwungen, in ihren schmerzenden Armen, denn das mochte sie gern, da wurde sie manchmal stille bei, und dann hatte sie plötzlich die Augen zugetan. Ava hatte sie weiter geschwungen, mit schmerzenden Armen, voller Hoffnung jetzt, Babymerve hatte die Augen wieder aufgetan, weit aufgerissen, um dann, ganz plötzlich, mit einem tiefen Seufzer in einen todesähnlichen Erschöpfungsschlaf zu fallen. Ava hatte sie ungläubig im Arm gehalten, das schlafende, warme Bündel. So lieb, so süß. So fühlt sich also eine Mutter, wenn das Baby zufrieden ist. Muskelzuckungen in ihren erschlafften Armen. Nach einer Weile legte sie Babymerve vorsichtig, zitterig, in ihr Streichholzschächtelchen. Sie hätte sie auch ins Bett neben sich legen können. Doch das ging nicht. Dann hätte Ava sich nicht regen können, sie hätte sich nicht einmal umdrehen können, ohne zu fürchten, dass sie dadurch wieder erwachen würde. Aber Babymerve war nicht erwacht, während Ava sich leise, leise auszog und das Licht löschte und unter die Decke kroch.
Babmerve schläft auch noch, als Danilo hereinkommt und ein Spalt weißen Lichts auf sie fällt, lautlaus, reglos liegt sie da, wie eine Puppe mit rosa Porzellanlippen und weißen, geschlossenen Porzellanlidern. Danilo ist angetrunken und guter Laune und sagt: «Da sind ja meine schönen Frauen.»
«Danilo, sei still!», zischt Ava. Sie hat sich im Bett aufgerichtet und schaut zu Merve, deren rechte Faust sich ganz leicht bewegt, sich dann brutal über das Gesichtlein fährt und wieder in der alten Position neben ihrem Kopf abgelegt wird.
Danilo ist ganz und gar nicht still. Er stößt sich das Knie an der Bettkante und hüpft schimpfend durchs Zimmer. Ava beobachtet immer noch Babymerve in ihrer Schachtel, sie schläft. Danilo zieht sich aus und legt sich hin. Dann steht er wieder auf, um pinkeln zu gehen. Sie hört jede Verrichtung, hört die Spülung und die Küchentür, er kehrt mit einem Glas Wasser zurück und sagt laut, höllenlaut: «Weißt du, was diese dämliche Regine heute gemacht hat?»
Ava sieht ihn flehentlich an. «Danilo, pscht!»
«Wenn Babys schlafen, dann schlafen die. Es stört die überhaupt nicht, wenn man spricht. Geräusche stören die überhaupt nicht. Du bist ja schon hysterisch», sagt Danilo. Er lässt sich auf das Bett fallen und deckt sich zu, und eine Minute später schläft er tief und fest. Eine weitere Minute später schreit Babymerve, und Ava bleibt noch zwei Sekunden auf ihrem Rücken liegen und malt sich aus, wie sie Danilo haut, auf den Bauch und die Brust und vor allem auf die stoppeligen Backen, die sich sanft blähen, wenn er während des Schlafens seine Lippen leicht
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