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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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Deine Eltern sehen meine Mutter, das wette ich, nicht mal an, wenn sie durchs Dorf watschelt, mit ihrer Schürze und ihren gelben Gummistiefeln. Von Deichmann.»
    «Danilo!», Ava schreit ihn an, damit er endlich aufhört, und Babymerve spitzt die Ohren, das Mündchen aufgerissen, die Äuglein aufgerissen, «das stimmt doch überhaupt nicht!»
    Danilo steckt die Hände in die Taschen seines Cordjacketts, viel zu dünn, nur fürs Autofahren gedacht und nicht fürs Draußensein im eisigen Frühling, und geht den matschigen Wiesenweg Richtung Deich hinauf.
    Ava bleibt unentschlossen zurück. Der Wiesenweg ist ein Wiesensumpf. In den kleinen Schmelzwasserseen der schwarzen Treckerspuren spiegelt sich der braune Nachmittagshimmel mit seinen tiefhängenden nebelig diffusen Wolkenflächen. Krähen kreisen krächzend, Danilo entfernt sich, seine Schritte böse schmatzend, zur Tat schreitend, zu welcher auch immer. Weglaufen, Trotz anhäufen, Leute beschäftigen, das kann er. Ava trägt helle, neue Wildlederstiefel von Görtz – wenigstens Schuhe kann man sich mal leisten, wenn auch sonst nichts passt, und man will sich keine zwei Nummern größer zulegen und die alte Größe aufgeben, nein! – und hält dazu noch Babymerve auf dem Arm. Sie kann ihm nicht nachgehen. «Danilo. Hör auf zu spinnen! Das stimmt alles gar nicht!», ruft sie ihm hinterher. «Das sagst du nur, weil du wütend bist.»
    Aber Danilo wird immer kleiner.
    Hinter Ava öffnet sich die Pforte zum Hof, die Mutter kommt heraus, ebenso in Gummistiefeln wie Ivana Androsevich, sieht auch nicht viel anders aus, nur das Haar noch braun und lockig, hält sich auch nicht für etwas Besseres, wie Danilo das denkt. ER hält sich für etwas Besseres. ER ist wütend auf seine Mutter und vor allem auf Eckehard, weil der seine Mutter bumst, vermutlich, aber ist das Avas Schuld?
    «Wo geht er denn hin?», sagt die Mummi und hebt die dicke Hand über die Augen.
    Ava zuckt mit den Schultern. «Er geht zum Teufel», sagt sie.
    «Hattet ihr Streit?»
    «Ach was, er muss nur bisschen laufen. Er ist eben so.»
    «Seine Mutter hat einen neuen Mann», sagt die Mummi triumphierend.
    «Freund», sagt Ava, «verheiratet sind sie wohl noch nicht.»
    «Doch», sagt die Mutter, und Ava zieht es fast die Schuhe aus.
    Im Gegensatz zu Danilos Mutter nimmt ihre Mutter ihr das Kind nicht weg, wenn sie es nicht ausdrücklich verlangt. Ihre Mutter betrachtet die Kinder ihrer Kinder immer als zu ihnen gehörend. Das Großmuttersein ist ihr noch relativ fern. Vielleicht, weil sie noch arbeiten geht. Vielleicht, weil sie den Vater hat, der einige Fürsorge braucht, muss sie sich nicht auf die Enkel stürzen, obwohl die süßer sind. Ava wundert es ein wenig. Aber sie hält der Mutter in der Diele das Kind hin, damit sie sich ausziehen kann.
    Drinnen, in der sauerstoffarmen, essensdampfenden Bude, stehen und sitzen die anderen und springen gleichzeitig auf Ava und Merve zu und küssen und drücken die von der Kälte Rotwangigen an sich.
    «Wo ist Danilo?», fragt Petra.
    «Er ist spazieren», sagt Ava.
    «Alleine?»
    «Er wollte eben.»
    Markus presst Ava heftig an seinen rund gewordenen, nach Aftershave riechenden Körper. Er sagt: «Avi und Mervi, die süßen Schnecken aus Hamburch. Die feinen Miezen kommen aus Hamburch geflogen.»
    «Markus, du Spinner», sagt Ava und freut sich fast Tränen in die Augen. Jenny und Jonathan sitzen, in Rosa und Jeansblau gekleidet, jeder auf einem samtigen Sofakissen auf dem Boden, ganz dicht vor dem Fernseher, und verfolgen «Alf». Ihre Köpfe sind bis zur Genickstarre hochgereckt, ihre Münder geöffnet, sie lachen nicht, sie zeigen überhaupt keine Regung. Sie wenden den Blick auch nicht vom Bildschirm, als Ava sie begrüßen will.
    «Aus», sagt Markus und schaltet den Fernseher aus.
    Dann zeigen sie jede Menge Regungen. Sie schreien, und Jenny, die Kleinere, ist den Tränen nahe, weil sie Teile von «Alf» verpasst.
    «Tante begrüßen!», ordnet Markus an.
    Sie springen auf, umhalsen Ava und drücken ihr einen nassen Kuss auf den Mund und sitzen sofort wieder auf die Sofakissen gestöpselt.
    «An!», schreit Jenny.
    «Wiiieee heißt das?», sagt Markus, mit der Macht in der Hand.
    «Bü-hütte», heult Jenny.
    «Jetzt ist es gleich vorbei», brüllt, am Ende seiner Nerven, nun auch Jonathan.
    Markus schaltet den Fernseher an, die Harmonie ist wiederhergestellt, und der Kuchen kommt auf den Wohnzimmertisch.
    «Ich hab schon», sagt Ava. «Wurstbrot

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