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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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keine Zeit mehr, als würden die Informationen voller Eile zu ihm unterwegs sein, sich überschlagend und auf ihn zurollend: «Danilo, sie haben geheiratet, deine Mutter hat Eckehard geheiratet, und meine Eltern waren auf ihrer Hochzeit. Du denkst, die sehen die nicht an, aber die waren auf der Hochzeit, Danilo, die haben sogar getanzt und haben uns nichts davon gesagt. Und haben es die ganze Zeit gewusst.» Ava keucht, ihr Herz rast.
    «Ach, Ava», sagt Danilo, legt seine Arme um sie und seinen wolligen Kopf auf ihre Schulter, und zitternd drücken sie sich aneinander. Seit einem Jahr nicht mehr Liebe gemacht, seit einem Jahr kaum noch berührt, stehen beide da, und Ava denkt, es macht auch nichts. Sie will alles für Danilo tun, wenn er es will. Und wenn es nur nicht immer so weitergeht und sie am Ende mit noch weniger zufrieden sein muss.

    Fadil Demir ist ein fast ebenso großer und ebenso dünner Mann wie Danilo. Sein dunkles Haar trägt er nach hinten gekämmt, und seine Oberlippe ziert ein kräftiger Schnauzbart. Fadil stammt aus einer großen Familie von Wissenschaftlern. Sein Onkel unterrichtet an der Bosporus-Universität in Istanbul Physik. Sein Vater ist Architekt und entwickelt neue Dachkonstruktionen, und seine Mutter leitet ein Forschungsprojekt zur Quantenphysik an der Hamburger Universität – und das ist nur ein kleiner Teil der Familie. Fadil selbst studiert neben der Philosophie noch die Neuere Deutsche Literatur, die Psychologie, die Soziologie, und er besucht Vorlesungen der Linguistik und der Rechtswissenschaften, auch wenn er in manchen Fächern keine Scheine erwerben kann, weil es nicht in sein Studienprofil passt. Fadil ist an vielen Dingen interessiert, was nicht heißt, dass er oberflächlich ist. Er schleppt Berge von Büchern nach Haus, wozu er allerdings auch über das nötige Kleingeld verfügt. Aber er schleppt sie nicht nur nach Haus, er liest sie auch. Er sitzt in seinem Zimmer bei seinen Eltern und liest und schreibt und diskutiert sehr ernsthaft die Dinge, die ihn beschäftigen. Er ist ein anständiger Moslem, der regelmäßig betet, und der fröhlichste Mann, den Ava je kennengelernt hat.
    Sie weiß viel über Fadil, weil Danilo viel erzählt und ganz fasziniert von ihm ist. Zu Gesicht bekommt sie Fadil allerdings nur selten, denn Danilo geht schon lieber zu Fadil, als dass er Fadil zu ihnen einlädt. Fadil taucht aber zuweilen einfach auf, er klingelt und steht vor der Tür und lacht sich tot, so wie jetzt, als Ava ihm öffnet, es freut ihn alles so von Herzen, das Leben und alles. Er bückt sich und zieht die Schultern nach vorn und den Kopf nach unten, um nicht am Türrahmen anzustoßen. Er lacht das nächste Mal, als er Babymerve sieht. Fadil hat großes Interesse an ihr. Größeres als Danilo, hat Ava manchmal den Eindruck. Er nimmt sie auf den Arm und schaukelt sie und redet Türkisch auf sie ein und nickt und lacht sich wieder tot. «Sie wird eine kleine Schlange», sagt er.
    «Fadil», ruft Ava.
    Fadil lacht. Sein Schnauzbart zittert, und das Kind zittert in seinem Arm. «Sie wird ein Hase, keine Schlange, ein Hase.»
    «Ein Hase wird sie auch nicht», sagt Ava.
    «Ein Bär?», versucht es Fadil.
    «Schon eher», sagt Ava, obwohl sie es auch nicht ganz das Richtige findet. Warum fragen sich alle Leute, was aus ihr wird? Warum ist sie nicht schon was?
    Die Haustür klappt. Danilo war einkaufen. Er redet in der Küche gereizt vor sich hin, weil er einkaufen gehen musste. Er ist der Meinung, Ava hätte genug Zeit zum Einkaufen gehabt, während er vormittags an der Uni war. Ava hätte Zeit gehabt, aber heute wollte sie nicht, heute war es anstrengend, und sie ist müde gewesen, und sie wollte nicht das Kind anziehen und später wieder aus dem Wagen nehmen, vielleicht im Supermarkt, wenn es schrie, und dann das Kind und die Einkäufe und alles, das wollte sie einfach nicht. Die Nacht war so unruhig gewesen. Sie wäre am Nachmittag einkaufen gegangen, wenn Danilo dann Merve behalten hätte, aber Danilo wollte lieber einkaufen gehen, als auf Merve aufpassen.
    Danilo ruft aus der Küche: «Deinen Käse gab es nicht.» Er ist froh darüber, denkt Ava. Er sagt es in so einem Ton. Fadil läuft mit Babymerve im Arm in die Küche und lacht sich tot, als Danilo ihn sieht. Fadil lacht immer so laut und so heftig, weil er damit ausdrücken will, dass alles gut ist, dass er sich freut und dass er alle lieb hat, denkt sie.
    Danilo ist es im ersten Moment unangenehm, dass Fadil hier ist,

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