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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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wäre mir lieber.»
    «Schmorbraten ist im Ofen», sagt die Mutter.
    Dann sitzen sie am Tisch, essen verspäteten Nachmittagskuchen, verspätet, weil alles auf Ava und Danilo und Merve gewartet hat. Ava isst nicht, trinkt nur und ist froh, dass Petra Babymerve im Maxi Cosi schaukelt, während sie selbst kurz frei hat. Die stickige Wärme, die zischenden Kerzenflammen auf den mit Engeln beklebten dicken Stumpenkerzen, das Geplapper der Kinder, die gestrickten Pullover, die gestopfte Tischdecke, keiner elegant gekleidet, kein Möbelstück modern, der Kuchen zu fett, die Stücke viel zu groß geschnitten, das weiterlaufende Fernsehprogramm, der Schmorbraten in der Küche, die vorgeschälten, im Wasser schwimmenden, wartenden Kartoffeln … zu Hause. Es wallt um Ava rum, und sie sackt in sich zusammen, während sie ihren entkoffeinierten Kaffee schlürft.
    «Geheiratet? Danilos Mutter?», murmelt sie, um die unverständliche Sache aufzuklären.
    Der Vater zuckt mit den Schultern, er hat sich nicht rasiert und macht einen mageren, stillen Eindruck. Sein blau-weiß gezacktes Pullovermuster hängt wellig über seinen nach vorn gezogenen Schultern, seine Augen kugeln hektisch hin und her, wie zappelnde kleine Fische in einem Glas, das ist neu. «Wir waren eingeladen», sagt er, und die Augen rollen.
    Es beunruhigt Ava, wie der Vater ist, aber noch mehr beunruhigt sie, was er sagt. «Ihr wart eingeladen? Die Hochzeit war wirklich?» Sie schiebt den Stuhl vom Tisch weg und atmet, als wäre sie noch schwanger und hätte Atemprobleme oder Herzrhythmusstörungen.
    Petra lässt ihren Kuchen auf den Teller sinken. «Ihr wart eingeladen? Bei denen?», wiederholt sie die Frage.
    «Was stellt ihr euch denn so an?», sagt der Vater und wischt sich mit der Hand über das blasse Gesicht, als wollte er die labberige Gesichtshaut glatt streichen. «Das ist doch keine große Sache. Sie luden uns ein, und wir gingen hin. Die Trauung war in der katholischen Kirche. Pfarrer Maissner hat getraut. Die Glöckners waren noch da und Frau Feld. Es war klein, aber gemütlich.»
    «Wir haben später sogar noch getanzt, nach Kassetten von früher, bei denen im Wohnzimmer. Es war gemütlich», fügt die Mutter hinzu.
    Ava, Markus und Petra schweigen, wie im Schock über die Tatsache, dass die Eltern auf einer Hochzeit getanzt haben.
    «Ihr habt doch gar nichts mit denen zu tun», sagt schließlich Petra.
    «Wir sind doch quasi verwandt», sagt die Mutter.
    «Ein anderer ist noch viel mehr mit denen verwandt», sagt Petra.
    Und Ava sagt gar nichts mehr. Denn der andere stapft, bereits außer sich ob der Tatsache, dass seine Mutter mit jenem Mann irgendetwas haben könnte, alleine durch Berge und Täler von Schlamm und eisigem Wasser, statt im Kreise der Familie den Schmorbraten, den Kuchen und den Likör zu genießen.
    «Es ist ja ihre Sache», sagt der Vater. «Wenn die Kinder dagegen sind, kann man nichts machen. Wir wollten es jedenfalls nicht sagen, weil es ihre Sache ist. Sie wollten es sich nicht verderben lassen. Eure Mutter hat gesagt, sie hätten den Danilo wohl einladen sollen, aber die Ivana meinte, er würde keinen Wert drauf legen. Er würde sie nur beschimpfen. Er hätte sie schon beschimpft und den Eckehard auch. Er ist in den Schuppen gegangen und hat die Schaufensterpuppe, die sein Vater war, weggeschleppt, deshalb, weil er so außer sich war.»
    Ava steht auf. Sie übergibt die Verantwortung für ihr Kind an ihre Schwester, zieht ihre Jacke und die schwarzen Gummistiefel ihrer Mutter an und macht sich auf den Weg, durch die schlammigen Furchen des Wiesenweges. Draußen weht ein scharfer Wind. Die Wolken rasen über den Himmel, der Himmel reißt auf und macht einen sauberen, dunkelblauen Eindruck. Am Wegesrand blühen ein paar versprengte lila Krokusse. Ava rutscht durch den Schlamm und läuft und überlegt sich ihre Worte. Auf dem Deich ist es eiskalt. Ein mickriges Männchen läuft, weit weg, ziellos am Ufer entlang. Sie folgt ihm, sie rennt und rutscht und rutscht hin, die Knie nass, und läuft wieder, fast ein wenig froh, dann wieder traurig. Es riecht in der kalten Luft modrig und heftig und fast wie Sex. Eine Welle von Liebe überrollt sie. Sie hofft wirklich sehr, dass es Danilo ist, dieses Männchen, das langsam Konturen annimmt und dann stehen bleibt, mürrisch, mürrische Wellen aussendend, die Hände in den Taschen vergraben und heftig zitternd.
    Ava ruft ihm zu, während sie ihm entgegenläuft, atemlos, als hätte sie gar

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