Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
»Dass er so was sonst nie tun würde. Er tut es nur für mich. Aber er weigerte sich, mir etwas zu verraten. Hoffentlich versündigt er sich nicht. Dann möchte ich lieber nicht freikommen.«
Agnes nickte zustimmend. Ein großmütiger Entschluss, aber die Alternative erschien ihr auch nicht erstrebenswerter. »Hat Euer Bruder diese Sache schon erledigt?«
»Ich denke schon. Deshalb erwarte ich ihn jeden Tag, damit er mich hier herausholt.«
»Das wünsche ich Euch.«
»Braucht Ihr mich noch?« Sie blickte Agnes und Wolfram fragend an. »Ich muss jetzt dringend los. Ich will mir auf die letzten Tage im Badehaus nicht noch Prügel einhandeln.«
Der Hauptmann schüttelte den Kopf.
Agnes sagte: »Geht schnell. Ich bete für Euch, dass es Euer letzter Tag bei Dullen ist.«
»Danke.« Sofort hetzte sie los, blieb dann aber plötzlich stehen und drehte sich noch einmal um. »Danke auch für den Schilling. Endlich konnten sich meine beiden Engel wieder so richtig satt essen.«
»Das habe ich doch gern getan.«
Und schon war Ingrid davongeeilt.
Agnes war zufrieden mit sich selbst und lächelte selig. Der Schilling war gut eingesetzt gewesen. Ach, könnte sie doch weiteren Frauen helfen. Hätte sie doch die Macht, diese Hilfsbedürftigen aus ihrer Abhängigkeit zu befreien. Wie viel Geld wäre wohl nötig, um alle Bademägde bei Dullen freizukaufen? Aber was würde dann aus ihnen werden? Die meisten von ihnen waren wahrscheinlich durch Unglücksschläge und Armut in diese Abhängigkeit geraten. Ohne Familie, dafür mit unehelichen Kindern, waren sie doch nicht in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Sie standen am Rand der Gesellschaft und würden dort auch bleiben. Wer käme ihnen dann zu Hilfe? Es schien aussichtslos.
Wolfram unterbrach ihre Grübeleien: »Also ist die Sache mit Wiesen eine Sackgasse.« Er fluchte wieder.
Agnes versuchte sich zu sammeln und ihre Konzentration wieder auf den eigentlichen Auftrag zu lenken. »Außer er hat es irgendwie geschafft, Bode so zu ängstigen, dass er sich selbst umbrachte. So wie Ludolf das vermutet.«
»Quatsch!« Wolfarm wurde ganz verdrießlich. »Dann war es doch der Mann der Magd. Wir müssen noch mal mit ihm reden. Aber jetzt nicht mehr.« Damit klatschte er in die Hände und schaute sich kurz auf der Straße um. »Das müssen wir auf morgen verschieben. Bald ist die Trauung vom Vetter Klaudius in St. Simeons. Lass uns jetzt losgehen, damit wir noch’n vernünftigen Platz inner Kirche bekommen.«
Agnes drehte fahrig an den Knöpfen ihres Kleides. Sie war hin- und hergerissen. Wie gerne würde sie die Hochzeitszeremonie besuchen, nette Gesellschaft haben, tanzen, sich freuen und gut speisen. Aber sie fand es einfach nicht passend. Sie gehörte weder zur Familie noch war sie mit einem der Brautleute befreundet. Und mitzukommen, nur weil sie mit Wolfram zusammenarbeitete, war für sie kein ausreichender Grund. Sie blickte ihn bittend an. »Lieber nicht. Zur Feier am Abend komme ich möglicherweise mit. Aber das möchte ich mir noch überlegen.«
»Ich habe mich so auf dich gefreut. Ich habe gern nette Begleitung.«
»Ich auch. Aber das ist eine Familienfeier, und ich gehöre nicht zur Familie.«
»Ach!« Wolfram verdrehte die Augen und zog ein missmutiges Gesicht. »Und wenn ich dich nun einlade?«
Agnes schüttelte den Kopf.
Er zog ein mürrisches Gesicht und brummte leise: »Dann eben nich.« Er winkte ihr nur noch knapp zu und marschierte dann davon.
Agnes seufzte. Er hatte es immer noch nicht verstanden. Wie oft musste man einem Kerl denn erklären, dass man kein Interesse an ihm hatte? Verstanden Männer denn kein einfaches Nein?
Streit
Ludolf hatte mittags in ihrer Unterkunft etwas gegessen. Die Zempelburgs versorgten ihre Gäste reichlich und äußerst schmackhaft – da konnte man wirklich nicht klagen. Jetzt ging er langsam die Martinitreppe hinunter. Vor dem Rathaus sah er Agnes stehen – diesmal allein, ohne Begleitung. Als er näherkam, hörte er sie ein Lied summen. Sie schien ja richtig guter Laune zu sein. Hatte sie etwa eine Spur gefunden? Oder war es wegen dieses Wolframs? Gestern war sie schon den ganzen Tag mit ihm unterwegs gewesen und auch heute Vormittag. Was war an diesem abgehalfterten Wachsoldaten so interessant? Der Kerl war dumm wie Bohnenstroh und glich sein Unvermögen durch Gewalt und Drohungen aus. Er hatte in den bisherigen Ermittlungen doch auf ganzer Länge versagt. Ein Hornochse hätte es kaum schlechter machen können.
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