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Ehre sei dem Vater (German Edition)

Ehre sei dem Vater (German Edition)

Titel: Ehre sei dem Vater (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisa May
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werden selbst herausfinden, welche Aussagen für
uns wichtig sind und welche nicht. Beantworten Sie bitte einfach meine Fragen.“
    Julian versuchte nun nicht einmal mehr seine
Wut im Zaum zu halten. „Ich bin aber nicht hier, um über mich zu sprechen,
sondern weil ich möchte, dass mein Vater gefunden wird!“, brüllte er. Der
Gendarm hob den Blick von seinem Block und blickte Julian eindringlich in die
Augen. „Ich verstehe, dass Sie im Moment einiges durchmachen, aber glauben Sie
mir, Ihr Privatleben ist mir vollkommen egal“, sagte er nun in mildem Tonfall,
„aber ich muss Ihnen auch unangenehme
Fragen stellen. Ich darf kein noch so
kleines Detail übersehen. Wir wissen noch viel zu wenig, selbst ein Gewaltverbrechen
kann beim jetzigen Stand der Ermittlungen noch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen
werden.“
    „Jetzt bin ich wohl auch noch des Mordes
verdächtig, oder was!“, dachte Julian, hielt sich aber zurück und sagte nur,
dass ihm sein Ausbruch leid täte. Er wusste, dass er zu weit gegangen war, dass
jeder weitere Widerstand gegen dieses Verhör nur ihm selbst schaden würde. In
der Folge beantwortete er sämtliche Fragen bis ins peinlichste Detail.
    Nach einer schier endlos langen Liste von
persönlichen Fragen, wollte er eigentlich nur mehr die schwere Holztür hinter
sich zufallen lassen. Allerdings ging ihm selbst noch
so viel durch den Kopf, was er unbedingt noch in Erfahrung bringen musste.
    „Haben Sie denn noch gar keine Hinweise, wo
er sich aufhalten könnte oder ob er überhaupt noch lebt? Wurde schon eine
Suchaktion gestartet?“, sprudelte es aus ihm heraus.
    Der Gendarm hatte seine Mappe schon
zugeklappt. Er wandte sich wieder an seinen Besucher. „Vierundzwanzig Stunden
nach seinem Verschwinden gilt ein erwachsener Mensch als vermisst“, sagte er
beschwichtigend. „Ihr Vater ist also seit drei Tagen in allen Polizeicomputern
Österreichs. Eine Suchaktion wird erst eingeleitet, wenn es eine Vermutung
gibt, wo er sein könnte. Wenn sich beispielsweise jemand meldet, der ihn
irgendwo hingehen gesehen hat. Irgendeinen Hinweis braucht man auf jeden Fall,
wie könnten wir sonst wissen, wo wir mit einer Suche anfangen sollen?“
    „Soll das heißen, sie sitzen nur hier am
Posten und warten ?“, fragte Julian
ungläubig. Er konnte nicht glauben, was er hörte. „Wir verhören die Familie,
Verwandte, Bekannte und Nachbarn. Mehr können wir zurzeit noch nicht tun.
    Wir gehen jedem Hinweis nach. Alle Aussagen werden
genau geprüft“, erklärte der Inspektor. „Der Aussage Ihrer Mutter wird am
meisten Gewicht beigemessen. Sie hatte ihn zuletzt gesehen und sie hatte dieses
Gespräch mit dem Herrn aus Deutschland geführt.“
    „Mit wem hat sie gesprochen?“ Julian, der
sich bereits in Richtung Tür in Bewegung gesetzt hatte, drehte sich noch einmal
herum. „Das müssen Sie Ihre Mutter schon selbst fragen. Ich dachte, Sie wüssten
Bescheid.“

    Erschöpft ließ sich Julian in den Sitz seines
alten Mazda 626 fallen. Der schwarze Ledersitz quietschte unter seinem Gewicht.
Wieder einmal musste er bedauernd feststellen, dass die Tage seines geliebten
alten Karrens, der ihm schon beinahe ewig die Treue gehalten hatte, bald
gezählt sein würden. Aber im Moment hatte er wahrhaft andere Sorgen. Der Beamte
hatte ihm den letzten Nerv gezogen. „Zuerst behandelt er mich wie einen
Verbrecher und dann hüllt er sich in Schweigen, obwohl ich als Sohn doch sicher
ein Recht auf genauere Auskünfte habe“, sagte er halblaut vor sich hin. Er ließ
sich die Ereignisse der letzten Tage noch einmal durch den Kopf gehen. Wo
könnte sein Vater stecken? Barbara hatte ihn erinnert, dass Franz Seidl vor ein
paar Jahren für einige Tage verreist war, ohne jemals mit irgendjemandem
darüber zu sprechen, wo er gewesen war. Sie hatte ja nicht ausgeschlossen, dass
damals eine andere Frau dahinter steckte, aber für Julian war das undenkbar.
Sein Vater brachte noch nicht einmal ausreichende Gefühle für seine eigene Frau
auf. Wieso sollte ausgerechnet er sich um ein anderes weibliches Wesen
umschauen. Außerdem hatte er ja auch bereits ein Alter erreicht, in dem man
bestimmt nicht mehr so viel Unsinn im Kopf hat. Seine Launen würde wohl kaum jemand
freiwillig ertragen und wenn er daran dachte, wie sehr sich der Vater für sein
amputiertes Bein schämte, konnte er sich erst recht nicht vorstellen, dass er
sich jemandem ohne Hemmungen intim nähern konnte.
    Aber Selbstmord? Konnte er so verzweifelt
sein, dass er

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