Ehre sei dem Vater (German Edition)
Anführers übernommen und war
nicht nur aufgrund seiner Körpergröße von über 1,80 m mit seinen 16 Jahren von
allen akzeptiert. Marie und Miriam bewunderten ihn für seine tolle Ausstrahlung
und die Jungs, weil er einfach supercool war.
„Sie hat Recht“, ergriff Miriam für ihre
Freundin Partei. „Wir sollten uns mehr an den Ortsrand zurückziehen, hier ist
es viel zu gefährlich.“ Wortlos zog Marvin Joe zur Seite und bog mit ihm in
eine Seitengasse. Die anderen folgten ihnen. Je weiter sie sich vom Zentrum
entfernten, desto weniger Straßenlaternen säumten die Straße und desto
schummriger wurde das Licht. Dermaßen ermuntert griff Miriam in Marvins
Rucksack und holte eine Dose mit grellgelber Farbe heraus. „Na“, witzelte Joe, „hast
du bereits einen passenden Hydranten entdeckt?“ Sie flunkerte nicht lange und
sprühte in seine Richtung. Joe, dermaßen angestachelt, nahm selbst eine Dose
aus dem Rucksack und wollte ebenfalls in die Gegend sprühen, als er von Marvin
aufgehalten wurde. „Euch ist wohl nicht klar, was das Zeug kostet? Ich hab
gesagt wir wollen uns hier irgendwo stilvoll verewigen. Lasst die sinnlose Herumsprüherei ! Wie wär’s stattdessen mit einem richtigen
Kunstwerk an der alten Klostermauer?“
Dort am Rande einer kaum befahrenen Straße
fühlten sich die Freunde sicher. Der Schein einer ca. 50 Meter entfernten Straßenlaterne
spendete gerade noch ausreichend Licht für ihr Vorhaben, ohne die Akteure besonders
ins Rampenlicht zu stellen. Markus, der Fünfte in ihrem Bunde, der kaum jemals durch
Wortmeldungen auffiel, hatte seinen Rucksack abgestellt und kramte nun eine
2-Liter Flasche Rotwein hervor. Die Kapsel des billigen Weines entfernte er
rasch mit einem Feuerzeug. Er reichte den Doppler in die Runde: „Ein Prosit auf
die Kunst!“, sagte er unter grölendem Beifall seiner Kumpels. Einer nach dem
anderen nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche. Marie forderte ihre
Freunde auf, bunte Kreise in verschiedenen Farben an die graue Mauer des
Klosters zu sprühen. Sie selbst wollte das Werk gekonnt vollenden. Ihr Plan
war, mehrere Gesichter, oder vielmehr hässliche Fratzen darzustellen, die in
sich verschmolzen. Ihre Freunde hatten nicht schlecht gestaunt, als sie sahen,
wie geschickt Marie mit den Farben hantierte, obwohl sie noch nie zuvor mit solchem
Material gearbeitet hatte. Sie fühlte sich in diesem Moment tatsächlich als
etwas ganz Besonderes. Rot, blau, grau, gelb und schwarz wurden von ihr gekonnt
auf das alte Gemäuer gespritzt, wobei das Dunkle stark dominierte. Marvin hatte
gut vorgesorgt. Er musste gewusst haben, dass man für ein derartiges Vorhaben
mehrere Dosen der gleichen Farbe brauchte. Während ihre Freunde sich nach der
eigenen aktiven Tätigkeit in der Runde aufgestellt hatten und einen um den
anderen Schluck aus der Weinflasche nahmen, war Marie tief in ihre Arbeit
versunken. Sie merkte noch nicht einmal mehr, dass ihre Freunde vor lauter
Übermut immer lauter wurden und keiner von ihnen mehr Schmiere stand. Ein
sträflicher Fehler. Als sich fremde Schritte näherten, hatte zunächst keiner von
ihnen reagiert. Marie hatte ihr Werk beinahe fertig gestellt, als ihre Kumpane,
plötzlich von Panik gepackt, die halbleere Dopplerflasche fallen ließen, ihre
Rucksäcke packten und im Eiltempo davonliefen. Sie selbst reagierte viel zu
spät. Aufgebrachte Stimmen hinter ihr riefen aus mehreren Metern Entfernung was
von „Sauerei!“ und „Kannst du jemanden erkennen?“ Es blieb keine Zeit die
Spraydosen einzusammeln. Marie rannte um ihr Leben. In dem Stimmengewirr hinter
sich, konnte sie noch einige Fetzen aufschnappen. Ihr Name war auch gefallen….
.
Wieder fiel ihr Blick in den verlassenen Hof.
Sie war ganz allein zu Hause. Ihre Mutter war bei Freunden und auch die
Großmutter war heute nicht da. „Wie lange wird es wohl dauern, bis die Polizei
vor der Tür steht. Rücken die wegen so was noch in derselben Nacht aus, oder
warten sie noch bis zum nächsten Morgen?“, murmelte sie vor sich hin.
Getrieben von dem vertrauten Drang, ihre
Angst mit etwas Essbarem erträglicher zu machen, hatte sie gerade den Weg in
die Küche angetreten, als es läutete.
Sie las in der Tageszeitung. „ Eifersucht: Vater rottet vierköpfige Familie
aus“, stand hier etwa zu lesen oder „ US-Präsident
will aufrüsten“ und „ Noch immer keine
Spur der Saliera .“ „Und wo ist hier die gute
Nachricht?“, sagte sie laut vor sich hin. Für gewöhnlich war sie
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