Ehre sei dem Vater (German Edition)
um David?“,
hakte sie nach. „Nein, diesmal ist es viel schlimmer. Ich glaub, ich bin noch
nicht so weit, darüber reden zu können. Bitte gib mir noch ein wenig Zeit.“ Eva
kämpfte sichtlich mit den Tränen.
„Okay, entschuldige, ich wollte dich nicht
drängen.“ Verena hob resignierend ihre Schultern. „Hätte ich mir gleich denken
können. Warum bin ich immer so ungeduldig?“, dachte sie. Inzwischen hatten sie
endlich das Ordnungsamt erreicht. „Das war aber allerhöchste Zeit.“ Julian sah
auf die Uhr. Es war bereits zehn Minuten vor Zwölf. „Wahrscheinlich werden die
Leute hier auch um 12.00 Uhr die Läden dicht machen. Wenn wir Pech haben,
bekommen wir vor morgen überhaupt keine Auskunft mehr.“ Rasch drückte sich das
Trio durch die schwere hölzerne Tür. Die beiden Frauen blieben in einer kleinen
Nische des Vorraums stehen, während Julian den kleinen Informationsschalter zur
rechten Seite des Korridors ansteuerte. Die dickliche blonde Dame hinter dem
Schalter wirkte anfangs sehr beschäftigt und nicht gerade überhöflich. Eva und
Verena konnten das Gespräch der beiden nicht verstehen, bekamen aber mit, wie
die junge Frau hinter der Glasscheibe mit jedem Wort, das Julian an sie
richtete, freundlicher wurde. Er ließ ganz offenbar seinen Charme spielen. Verena
beobachtete, wie er mit ihr kokettierte. Er gestikulierte wild mit seinen
Händen und wechselte gekonnt zwischen verzweifelter Miene und Strahlemannlächeln . „Der Zweck heiligt in diesem Fall wohl
die Mittel, was?“ Verena stieß Eva leicht von der Seite an. „Wenn die Dame
wüsste, dass dieser entzückende junge Mann keinen Funken von Interesse an einer
Frau hat, würde sie sich wohl nicht so ins Zeug legen.“ Eva rang sich ein
kleines Lächeln ab, als Julian strahlend mit einem kleinen handgeschriebenen
Zettel in Händen auf sie zukam. „Geschafft! Ich habe die Anschrift.“ Er nahm
die beiden kurz in die Arme. Eva taute langsam auf. Die Ablenkung schien ihr
tatsächlich gut zu tun.
„Wir könnten seinen Wohnsitz von hier aus
sogar zu Fuß erreichen. Was meint ihr?“ Er wartete die Antwort der beiden nicht
ab und marschierte los. „Und wann gedenkt der Herr zu speisen?“, rief ihm
Verena hinterher. Sie freute sich über die plötzliche Euphorie ihres Freundes
und wusste natürlich, dass fürs Essen bestimmt keine Zeit bleiben würde,
solange er nicht mit Millner -Rubens gesprochen hätte.
„Hat dir die nette Dame am Schalter nicht ein passendes Lokal empfohlen?“
„Das hat sie sogar! Da siehst du, wie ich auf
Frauen wirke. Die Mädels spüren einfach, dass ich sie mag!“, kokettierte er, um
leise hinzuzufügen, „…wenn auch nicht auf die Art und Weise wie es manche gerne
hätten…“
„Trag nur halb so viel auf und es wäre mehr
als genug“, warf Verena mit einem Seitenblick auf Eva ein. „Was ist das für ein
Schuppen, in den uns deine neue Eroberung schickt? Glaubst du, dass wir, so wie
wir gestylt sind, am Türsteher vorbeikommen?“ Sofort warf ihr Eva einen
giftigen Blick zu. „Sag doch einfach direkt, dass dich mein Aufzug stört!“
Verena zuckte resignierend die Schultern. Sie
hatte tatsächlich auf Evas Kleidung angespielt, obwohl sie es in dem Moment als
die Worte hervorsprudelten nicht einmal gemerkt hatte. Ihr war aber nicht
danach, sich schon wieder bei Eva zu entschuldigen. Also ignorierte sie die
bissige Bemerkung ihrer Freundin einfach.
„Beruhigt euch, ich habe ohnehin nicht den
Nerv, mir den Bauch voll zu schlagen, bevor ich mit unserem deutschen Freund
gesprochen habe.“
Julian war zum ersten Mal in den letzten
Tagen zuversichtlich, dass das Rätsel um das mysteriöse Verschwinden seines
Vaters kurz vor der Auflösung stand. Die Sorge darüber, dass sein Vater nicht
mehr am Leben sein könnte, schwand gleichzeitig mit jeder Stunde. Die
Gendarmerie sah das zwar ein wenig anders, aber das störte ihn wenig. Nach
einem kurzen Anruf zu Hause wusste Julian, dass es seiner Mutter inzwischen
wieder viel besser ging. Beschwingt und erwartungsvoll ging er mit großen
Schritten vor den Frauen her. Ihr Weg führte sie auf eine kleine Anhöhe, von wo
sie über eine schmale, steile, mit Holz überdachte Steintreppe entlang einer
alten Steinmauer die Esslinger Burg erreichen wollten. Eva schien sich
regelrecht an dem Geländer zu ihrer Rechten hoch zu hieven. „Ich bin total am
Ende! Wie lange soll das denn noch so weitergehen?“
„Die nette Dame im Ordnungsamt hat gesagt,
wir sollen einfach
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