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Ehre sei dem Vater (German Edition)

Ehre sei dem Vater (German Edition)

Titel: Ehre sei dem Vater (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisa May
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einen eigenen Gedichtband herauszugeben,
erzählte. Weißt du, man hatte das Gefühl, hier stimmt alles. Unsere Interessen
in Richtung Kunst und Architektur passen hundertprozentig zusammen. Nicht ein
einziges Mal hatte ich das Gefühl, dass er sich mit mir langweilt. Im
Gegenteil.“
    David beobachtete seine Schwester wortlos.
Ihr Gesicht gewann langsam wieder an Farbe und der eben noch wirre Ausdruck in
ihren Augen verwandelte sich wieder jäh in Begeisterung. Ihr plötzlicher
Stimmungswandel verstörte ihn. Bevor sie mit ihrer Erzählung zum bitteren Ende
kam, wollte er sie unbedingt auf andere Gedanken bringen. „Du hast mir gar
nicht erzählt, dass du ein Buch schreiben willst“, unterbrach er sie. „Hast du
bereits damit begonnen?“
    „Ja und nein“, antwortete sie. Sie schien auf
sein Ablenkungsmanöver einzusteigen. „Du weißt doch, dass ich praktisch ständig
an irgendwelchen Texten schreibe. Ich hätte mir gedacht, dass ich aus meinen
bisherigen Gedichten die besten herausholen könnte und dazu noch passende
Übergänge oder vielleicht auch neue Ideen einbringen könnte. Martin meinte …….“
    David begriff sofort, dass sie wieder
abzuschweifen drohte. Sie hatte zwar bisher nicht erwähnt, wie der Mann hieß,
der sie heute Abend so enttäuscht hatte, aber er spürte, dass der eben erwähnte
Name die Wurzel ihres üblen Zustandes war. „Das ist doch super“, unterbrach er
sie. „Wenn du willst, kann ich dir helfen, etwas Passendes aus deinen bisherigen
Werken herauszusuchen.“
    „Du?“, fragte sie ungläubig. „Seit wann
interessierst du dich für Dichtung?“
    „Für deine schon immer, aber du gibst dich ja immer so geheimnisvoll. Ich wusste schon
immer, dass du viel mehr drauf hast, als nur die Zahlen von öden Bilanzen hin
und her zu schieben“, übertrieb David. „Komm lass uns gleich damit beginnen,
ich hab ohnehin nichts Besseres vor.
    „He, nun übertreib mal nicht! Ich glaube
nicht, dass ich heute noch den Kopf dafür freihabe. Erst muss ich den schrecklichen
Abend verdauen.“ Wieder war ein dunkler Schatten über ihre Miene gefallen. Sie
abzulenken war wohl doch nicht so einfach, wie David sich das vorgestellt
hatte.
    „Ich will nur, dass du weißt, dass ich für
dich da bin. Ich fühle mich nicht besonders bei dem Gedanken, wie sehr ich dich
in letzter Zeit mit meinem Kram belastet habe. Du sollst es endlich auch einmal
so richtig gut haben. Niemand hat das mehr verdient als du!“
    Eva drehte sich beschämt zur Seite. Sie
schien tapfer gegen ihre Tränen anzukämpfen, war jedoch erfolglos. David
wusste, dass jedes weitere Wort von ihm sinnlos war. Er schob einen Polster
unter ihren Kopf und streichelte stumm über ihr verklebtes Haar, bis er spürte,
wie seine Lider langsam schwerer wurden.

Barbara ging unruhig im Wohnzimmer auf und
ab. „Wann kommt er denn endlich, verflixt noch einmal!“, fluchte sie vor sich
hin. „Er wollte doch sofort kommen.“ Anna lag teilnahmslos auf der Couch, ihre
Haut wirkte fahl und der Blick war starr an die Decke gerichtet. So verhielt
sie sich nun schon seit einer glatten Viertelstunde, seit der verdammte Idiot
von einem Inspektor mit ihr telefoniert hatte. Warum musste er auch
ausgerechnet Anna am Telefon erwischen. Und das in ihrem ohnehin schon miserablen
Zustand. Mit jedem Tag, der ohne die geringste Spur von Franz verging, schwand
auch ein Teil von Anna. Sie war inzwischen nur mehr ein Schatten ihrer selbst.
Meist zog sie sich in ihr Zimmer zurück, damit niemand ihren Schmerz mit ansehen
musste. Aber vor Barbara konnte sie ihren Zustand nicht verbergen. Sie hatte Anna
schon mehrmals angeboten, mit ihr zum Arzt zu fahren, was diese aber jedes
Mal   als unnötig abwies. Sie würde
ohnehin nicht zur Ruhe kommen, bis Franz endlich wieder bei ihr wäre. „Wie
sollen wir denn das durchstehen?“, stieß Barbara beinahe wütend hervor und
bereute sogleich, so laut gesprochen zu haben. Sie hatte aus dem Augenwinkel
beobachtet, wie ihre Mutter kurz zusammenzuckte. Der Blick war aber weiter
lethargisch an die Decke gerichtet. Die ganze Familie war aus den Fugen geraten.
Nun war es bereits eine ganze Woche her, dass Franz verschwunden war und noch
immer gab es kein einziges Lebenszeichen. Erneut schweifte Barbaras Blick zu
ihrer Mutter und wieder sah sie das beklemmende Szenario vor sich, das sich vor
wenigen Minuten hier abgespielt hatte. Sie selbst war in den Raum gekommen, als
Anna den Telefonhörer unmittelbar abgehoben hatte. Schon an

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