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Ehrenhüter

Ehrenhüter

Titel: Ehrenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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blass aus, hatte einen Wickel um den Hals und einen dampfenden Becher in der Hand. Er machte den Eindruck, als wäre er auf dem Weg ins Bett. Saliha hätte schwören können, dass er mit jeder Sekunde, die sie sich wortlos gegenüberstanden, blasser wurde.
    «Nilgün?», brachte er schließlich mit einer Mischung aus Entsetzen und Freude hervor.
    Saliha lief ein Schauer über den Rücken. ‹Er verwechselt mich mit ihr›, durchfuhr es sie verblüfft. Sicher, sie warenSchwestern, und der Altersunterschied betrug nur gut anderthalb Jahre, aber sie hatten nichts von Zwillingen. Erst im zweiten Moment begriff sie, dass er ihr Gesicht unter der Kapuze nicht richtig erkennen konnte. Außerdem trug sie Nilgüns Jacke. So konnte sie sich zumindest einbilden, die Nähe ihrer Schwester zu spüren.
    «Nein», sagte sie mit belegter Stimme. «Ich bin es, Saliha.»
    Roman schwankte.
    «Bist du krank?»
    Er nickte beklommen.
    Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie hatte gehofft, sich fallenlassen und anlehnen zu können. Endlich ein Stück der ungeheuren Last loszuwerden.
    «Tut mir leid. Ich kann jetzt nicht. Wir reden ein andermal», sagte Roman gepresst.
    Fassungslos sah Saliha, wie die Tür sich langsam schloss. Gleich würde es klack machen.
    Dicle!
    Mit aller Kraft stemmte sich Saliha gegen das Türblatt. «Sie wollen mich verheiraten!», schrie sie durch den Spalt hindurch. «Gegen meinen Willen. Mit jemand, den ich nicht kenne. Du musst mir helfen!»
    Roman hielt weiter dagegen. Aber Saliha kämpfte. Hinter dieser Tür war sie in Sicherheit. Nilgün hatte oft von den Rodewaldts geschwärmt. Es waren kluge Leute. Sie würden wissen, was zu tun war. Roman musste sie reinlassen. Sonst war sie verloren. Ohne Rücksicht darauf, dass ihre Finger gequetscht werden könnten, umklammerte Saliha das Türblatt. Sie dankte Allah, dass Roman krank und geschwächt war. Ansonsten hätte sie keine Chance gegen ihn gehabt.
    «Bitte, ich bin doch erst 14.   Ich will nicht heiraten.»
    Er erhöhte den Druck. Lange konnte sie ihm nicht mehr standhalten.
    «Es ist doch alles nur wegen eurer Liebe. Sie bestrafen mich, weil Nilgün dich so sehr geliebt hat.»
    Wie bei dem richtigen Stichwort im Märchen öffnete sich plötzlich die Tür. Fast wäre Saliha gestürzt.
    Schwer atmend stand sie vor Roman. «Sie hat dich geliebt», wiederholte sie mechanisch. Es war die Wahrheit, aber für Roman schien der einfache Satz alles zu ändern.
    «Komm rein.»
    Saliha fiel auf, dass Roman die Straße mit den Augen absuchte, bevor er die Tür hinter ihr schloss. Dann marschierte er die Treppe hinauf.
    Die Tasche fest umklammert, ging Saliha hinterher.
    Romans Zimmer war mehr als doppelt so groß wie das Zimmer, das sie sich mit ihrer Schwester geteilt hatte. Direkt neben dem Spiegel hing ein auf Posterformat vergrößertes Bild von Nilgün. Der Anblick traf Saliha wie ein Schlag.
    «Meine Eltern wollen, dass ich das Bild abhänge. Aber ich kann es nicht   …», sagte Roman niedergeschlagen. Er setzte sich auf sein ungemachtes Bett.
    Saliha hockte sich auf einen Schreibtischstuhl. Wenn ihr Vater sie jetzt sehen könnte. Mit einem Jungen allein in einem Zimmer!
    Unaufgefordert fing Roman an zu erzählen. Von Nilgün und ihren heimlichen Treffen. Von seiner Sorge, dass alles auffliegen und Nilgün Probleme mit ihrer Familie bekommen könnte.
    Saliha hörte geduldig zu. Als sich Roman immer mehr in seinem eigenen Kummer zu verlieren drohte, sagte sie schlicht: «Du und deine Eltern, Roman, ihr müsst mir helfen.Ich muss weg aus Bremen. Sie wollen mich verheiraten, damit ich ihnen weitere Schande erspare.»
    Roman pfiff durch die Zähne und sagte abfällig: «Meine Eltern! Die drehen durch, wenn sie dich hier sehen.»
    «Deine Eltern haben Nilgün doch gemocht. Warum sollten sie etwas gegen mich haben?»
    «Osman hat eine Liste mit Schülern zusammengestellt, die angeblich alle etwas mit Nilgün hatten. Bei einem Jungen ist er mitten in der Nacht vor der Haustür aufgetaucht. Bewaffnet.»
    Saliha zuckte zusammen.
    «Ich stand auch auf der Liste.» Roman strich mit der Hand über die Bettdecke, als wollte er sie glätten. «Seitdem wollen meine Eltern nichts mehr mit eurer Familie zu tun haben. Außerdem sind sie überzeugt, dass einer deiner Brüder oder dein Vater Nilgün getötet haben.»
    «Nein, nein, bestimmt nicht», stammelte Saliha.
    «Sie werden dir nicht helfen», sagte Roman hart. «Das Einzige, was sie tun werden, ist dich in hohem Bogen rauswerfen

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