Ehrensache
Not und so
weiter...?«
Steele schüttelte den Kopf. »Sie verstehen das nicht, Inspector. Rab Kinnoul ist... er kann... sehr brutal sein. Psychisch und körperlich gewalttätig. Sie hat Angst vor
ihm.«
Rebus seufzte. »Dann haben wir also nur Ihr Wort dafür, wo Sie gewesen sind?«
Steele zuckte die Schultern. Er sah aus, als würde er gleich anfangen zu weinen - allerdings eher
aus Frust als wegen etwas anderem. Er atmete tief durch. »Sie glauben, ich hätte Liz
getötet?«
»Haben Sie?«
Steele schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Dann brauchen Sie sich doch keine Sorgen zu machen, Sir.«
Steele rang sich wieder dieses grimmige Lächeln ab.
»Keine einzige Sorge auf der Welt.«
Rebus stand auf. »Genau, Mr. Steele, immer schön optimistisch sein.« Doch Ronald Steele sah aus,
als würde das bisschen Optimismus, das er noch besaß, auf einen Teelöffel passen. »Trotzdem
machen Sie sich das Leben nicht gerade leicht...«
»Haben Sie mit Gregor gesprochen?«, fragte Steele.
Rebus nickte.
»Weiß er das mit Cathy und mir?«
»Kann ich nicht so genau sagen.« Sie gingen jetzt beide auf die Haustür zu. »Würde es Ihnen etwas
ausmachen, wenn er es wüsste?«
»Keine Ahnung. Nein, wahrscheinlich nicht.«
Es schien ein sonniger Tag zu werden. Rebus wartete, während Steele die Tür abschloss und zweimal
verriegelte.
»Nur noch eine Kleinigkeit.«
»Ja, Inspector?«
»Dürfte ich einen Blick in Ihren Kofferraum werfen?«
»Was?« Steele starrte Rebus an, merkte jedoch, dass der Polizist keine Erklärung abgeben würde.
Er seufzte.
»Warum nicht?«, sagte er.
Steele schloss den Kofferraum auf, und Rebus blickte hinein, blickte auf ein Paar
schlammverkrustete Gummistiefel. Der Boden des Kofferraums war ebenfalls schmutzig.
»Wissen Sie was, Sir«, sagte Rebus und schlug den Kofferraum zu. »Vielleicht wäre es doch gut,
wenn Sie jetzt gleich mit auf die Wache kämen. Je eher wir alles geklärt haben, desto besser,
oder?«
Steele richtete sich kerzengerade auf. Zwei Frauen spazierten plaudernd vorbei. »Bin ich
verhaftet, Inspector?«
»Ich möchte bloß sichergehen, dass wir Ihre Sicht der Dinge festhalten, Mr. Steele. Weiter
nichts.«
Dabei fragte sich Rebus: Stehen denn überhaupt noch irgendwelche Labortechniker zur
Verfügung? Oder hatte er sie alle längst beschäftigt? Wenn ja, dann würde Steeles Auto eben
warten müssen. Wenn nein, dann hatte er eine weitere Aufgabe für sie. Allmählich wurde das
wirklich zu einer Sache für das Guinness Buch der Rekorde. Wie viele Kriminaltechniker
kann ein Detective mit einem einzigen Fall auf Trab halten?
»Was für ein Fall?«
»Das habe ich Ihnen doch gerade erklärt, Sir.«
Lauderdale wirkte unbeeindruckt. »Sie haben mir gar nichts über den Mord an Mrs.
Jack erklärt. Sie haben mir was von mysteriösen Liebhabern erzählt, von Alibis für Rendezvous,
jede Menge über durchgeknallte Yuppies, aber nicht das geringste über Mord .« Er zeigte auf
den Fußboden. »Da unten hab ich jemanden, der schwört, dass er beide Morde begangen hat.«
»Ja, Sir«, sagte Rebus ganz ruhig, »und Sie haben außerdem einen Psychologen, der sagt, dass
Glass genauso gut den Mord an Gandhi oder Rudolf Hess zugeben würde.«
»Woher wissen Sie das?«
»Was?«
»Das mit dem psychiatrischen Gutachten.«
»Nennen Sie es genial geraten, Sir.«
Lauderdale wirkte plötzlich ein wenig entmutigt. Er leckte sich nachdenklich die Lippen. »Na
schön«, sagte er schließlich. »Dann erzählen Sie mir das Ganze noch einmal.«
Also erzählte Rebus das Ganze noch einmal. Mittlerweile war es für ihn wie eine riesige Collage:
unterschiedliche Materialien, aber das gleiche Thema. Doch es war auch so, als würde ihn ein
Künstler an der Nase herumführen: Je näher er auf das Bild zuging, umso weiter schien es sich zu
entfernen. Er war fast fertig, Lauderdale wirkte immer noch skeptisch, da klingelte das Telefon.
Lauderdale nahm den Hörer ab, hörte einen Augenblick zu und seufzte.
»Für Sie«, sagte er und hielt Rebus den Hörer hin.
»Ja?«, sagte Rebus.
»Eine Frau möchte Sie sprechen«, erklärte der Mann in der Telefonzentrale. »Sagt, es wär
dringend.«
»Stellen Sie sie durch.« Er wartete, bis die Verbindung hergestellt war. »Rebus am Apparat«,
sagte er.
Er hörte Lärm im Hintergrund. Irgendwelche Durchsagen.
Ein Bahnhof. Dann: »Na endlich, verdammt noch mal. Ich bin am Waverley. Mein Zug fährt in
fünfundvierzig Minuten. Wenn Sie herkommen, bevor er losfährt,
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