Ehrensache
knallte sie heftig hinter sich zu, trat in den mittleren Büchergang, verlor fast
das Gleichgewicht und musste sich gegen ein Regal lehnen. Sein Blick fiel auf einen bestimmten
Buchrücken, und er zog das Buch, das fest zwischen den anderen eingezwängt war, mühsam
heraus.
»Fisch auf dem Trockenen«, sagte er. »Auf dem Trockenen...« Er warf das Buch so weit von
sich, wie er konnte, immerhin fast einen Meter weit. Es knallte gegen ein Regal und fiel
aufgeschlagen auf den Boden. Dann begann er, wahllos Bücher herauszunehmen und sie mit aller
Kraft zu werfen. Seine Augen waren rot vom Weinen.
Vanessa brüllte ihn an, kam hinter ihrem Schreibtisch hervor und ging auf ihn zu, doch Steele
stieß sie zur Seite, stolperte an Rebus und an dem Schreibtisch vorbei und verschwand durch eine
Tür am Ende des Ladens. Man hörte, wie sich eine weitere Tür schloss.
»Was ist da hinten?«
»Das Klo«, sagte Vanessa, die sich bückte, um ein paar von den Büchern aufzuheben. »Was, zum
Teufel, ist denn mit dem los?«
»Vielleicht hat er schlechte Nachrichten erhalten«, spekulierte Rebus. Er half ihr, die Bücher
aufzuheben.
Dann stand er auf und las den Text auf der Rückseite von Fisch auf dem Trockenen. Die
Illustration vorn auf dem Umschlag zeigte eine Frau, die mehr oder weniger sittsam auf einer
Chaiselongue saß, während ein wüst aussehender Freier sich von hinten über sie beugte, die Lippen
knapp über ihrer nackten Schulter. »Ich glaub, das kauf ich«, sagte er. »Scheint mir ganz nach
meinem Geschmack.«
Vanessa nahm das Buch, dann starrte sie ihn an. Doch sie war noch zu schockiert von der gerade
erlebten Szene, als dass sie ihr Misstrauen gegen Rebus' Geschmack hätte offen zeigen können.
»Fünfzig Pence«, erklärte sie leise.
»Fünfzig Pence, bitte sehr«, sagte Rebus.
Nach der formellen Identifizierung, während die Autopsie ihren sorgfältigen und langwierigen
Verlauf nahm, waren Fragen zu stellen. Und es waren schrecklich viele Fragen zu stellen.
Cath Kinnoul musste befragt werden. Behutsam befragt, mit ihrem Gatten an der Seite und reichlich
Tranquilizern im Blutkreislauf. Nein, sie hatte sich die Leiche nicht genauer angesehen. Sie
hatte bereits von weitem gewusst, was es war. Sie konnte das Kleid sehen, konnte sehen, dass es
ein Kleid war. Sie war zurück ins Haus gelaufen und hatte die Polizei angerufen. Neun-neun-neun,
wie einem immer für Notfälle geraten wurde. Nein, sie war nicht noch einmal an den Fluss
gegangen. Sie bezweifelte, ob sie je wieder dorthin gehen könnte.
Und an Mr. Kinnoul gewandt, wo war er an diesem Morgen gewesen? Geschäftliche Termine, sagte
er.
Besprechungen mit potenziellen Partnern und potenziellen Sponsoren. Er versuchte gerade, eine
unabhängige Fernsehgesellschaft zu gründen, wäre jedoch dankbar, wenn diese Information nicht
weitergegeben würde. Und am Abend davor? Den hatte er mit seiner Frau zu Hause verbracht. Und
hatten sie irgendetwas gesehen oder gehört?
Nein, nichts. Sie hatten den ganzen Abend Fernsehen geschaut, nicht das aktuelle Programm,
sondern Sachen, die sie auf Video hatten, Sachen, in denen Mr. Kinnoul mitspielte... Knife
Ledge. Der Leinwandmörder.
»Sie müssen im Laufe der Zeit einige Tricks in Ihrem Metier gelernt haben, Mr. Kinnoul.«
»Sie meinen schauspielerisch?«
»Nein, ich meine, wie man tötet...«
Und dann war da Gregor Jack... Rebus hielt sich völlig raus. Er würde sich später die Notizen und
Protokolle ansehen. Er wollte sich nicht einmischen. Es gab zu viel, was er bereits wusste, zu
viel vorgefasste Meinung, was nur ein anderer Ausdruck für potentielle Vorurteile war. Er
überließ es anderen Kriminalbeamten, sich mit Gregor Jack auseinander zu setzen und mit Ian
Urquhart und mit Helen Greig und mit allen Freunden und Vertrauten von Elizabeth Jack.
Denn hier ging es nicht mehr um das Verschwinden einer Dame, hier ging es um ihren Tod. Jamie
Kilpatrick, die Honourable Matilda Merriman, Julian Kaymer, Martin Inman, Louise Patterson-Scott,
selbst Barney Byars. Sie alle waren bereits befragt worden oder würden es in Kürze werden.
Vielleicht würden sie alle zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal befragt werden. Fehlende Tage
mussten aufgearbeitet werden. Große Lücken im Leben von Liz Jack, die gesamte letzte Woche ihres
Lebens. Wo war sie gewesen? Wen hatte sie getroffen? Wann war sie gestorben? (Beeilen Sie sich
bitte, Dr. Curt, hopp, hopp.) Wie war sie gestorben? (Dito) Wo war ihr
Weitere Kostenlose Bücher