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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Allerdings Geld, das sowieso ausgegeben würde, und man konnte nicht sagen, daß sich die fünfzig Minuten auf seiner Couch jedesmal für mich auszahlten. Natürlich würde er darüber sprechen wollen: über die Beziehung zwischen dem Wunsch, ihn nicht zu sehen, und der Reise mit meiner Mutter an einen warmen Ort; über die Rolle, die Geld dabei spielte, das Geld aus dem Trust im Vergleich zu dem Geld, das meine Mutter für mich ausgeben wollte; er würde fragen, welche Phantasievorstellungen der Vorschlag meiner Mutter anregte, war hier etwa eine kleine Wunscherfüllung der Fall?
    Er kann mich mal! sagte ich mir und versprach meiner Mutter, ich käme mit.
    Wir wohnten in einem zum Hotel umgebauten Kloster in der Altstadt von San Juan. Ein kleiner Bus brachte die Gäste zum Strand, wo dunkelhäutige Jungen Sonnenschirme und Liegestühle aufbauten. Derselbe Bus fuhr uns wieder ins Hotel zurück. Das Mittagessen wurde in einem Restaurant serviert, das zum Kreuzgang des Klosters hin offen war. Man konnte auch am Strand essen, an einem Stand, der eine Mischung aus besserer Würstchenbude und tropischer Bar war und Sandwiches, Daiquiris und Bier zu bieten hatte. Vielleicht auch andere Drinks, aber meine Mutter mochte Daiquiris, und wenn sie den ersten getrunken hatte, war sie kaum zum Aufhören oder auch nur zu einer Pause zu bewegen. Sie hatte alle Vorbereitungen für diesen Ausfluggetroffen und sich in der Abteilung für Kreuzfahrtmoden bei Kaufmann Brothers in Pittsfield neu ausstaffiert. Am Strand trug sie einen farbenfrohen zweiteiligen Badeanzug, der eher einem Bikini glich, einen um die Hüften geschlungenen leichten tahitischen Pareo und weiße Sandalen mit einer Lederschlinge um den großen Zeh. Ich sah, daß sie ihre Zehennägel violett lackiert hatte. Am Schwimmbad im Club erschien sie immer in ganz anderer Aufmachung: in einem einteiligen Badeanzug, um den sich ein winziges Faltenröckchen bauschte; dazu gehörten ein abgelegtes weißes oder rosa Brooks-Brothers-Hemd meines Vaters, wie er sie in der Bank gern anzog, und weiße Tennisschuhe. Die Nachmittagssonne war erbarmungslos. Meine Mutter war noch hellhäutiger als ich, deshalb mußte ich ihr jedesmal, wenn sie aus dem Wasser kam, Rücken, Schultern und die Außenseite der Beine mit einem Sonnenblocker einreiben; und sie bestand darauf, mich einzucremen, obwohl ich leicht braun werde und nie einen Sonnenbrand habe, nicht einmal nach einem ganzen Tag auf dem Wasser. Wir hatten schon am Strand zu Mittag gegessen, ich war lange im Wasser gewesen und trocknete mich gerade ab, als ich bemerkte, daß sie krebsrot geworden war. Ich fragte, ob ich noch einen Sonnenschirm holen solle, damit sie ganz im Schatten sei. Sie sagte, nein, sie sei schon ganz benommen und beginne, den Sonnenbrand zu spüren. Ob es mir recht sei, zum Hotel zurückzugehen – wenn ich noch bleiben wolle, könne sie allein mit dem Bus fahren. Ich sagte, ich würde mitkommen, wir waren schon seit Stunden am Strand.
    Alle Zimmer im Hotel hatten Türen mit Fliegengittern, die sich auf einen umlaufenden Balkon am Innenhof öffneten. Die Zimmer waren kühl, trotz der Hitze draußen. Ich duschte und setzte mich dann in Pyjamahosen an den Schreibtisch, um an meinem Manuskript zu arbeiten. Ich kam nicht voran und beschloß, ein paar Minuten lang dieAugen zuzumachen. Statt dessen schlief ich ein und wurde wieder wach, als meine Mutter an die Balkontür klopfte. Sie trug einen rosaseidenen Bademantel, den ich noch nie gesehen hatte. Ich stand auf und ließ sie herein. Sie sagte, es gehe ihr besser, und bat mich, beim Zimmerservice Daiquiris zu bestellen. Dann streckte sie sich auf dem anderen Bett aus. Ihre Haut brenne, sagte sie. Sie habe versucht, einen Mittagsschlaf zu halten, daraus sei aber nichts geworden. Und sie wolle sowieso mit mir reden. Ich sah sie von meinem Schreibtischstuhl aus an. Offenbar hatte sie auch geduscht oder gebadet. Ihre Haare waren noch naß. Als der Kellner die Drinks brachte, bat sie mich, ihm ein Trinkgeld zu geben, und ihn, uns in einer halben Stunde die nächste Runde zu bringen. Ich sagte, bitte, bringen Sie dann nur einen, aber sie lachte und wiederholte, daß sie nicht einen, sondern zwei Drinks brauche. Wenn mir der zweite Daiquiri zuviel sei, werde sie ihn übernehmen. Wir tranken und schwiegen. Dann erklärte sie mir, diese Ferien seien die beste Idee, die sie je gehabt habe; solange mein Vater am Leben war, hätte sie so etwas nie machen können. Urlaubsreisen

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