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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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ich. Lieber wollte ich die Neuigkeit ganz beiläufig erwähnen, wenn ich wieder nach Hause kam. Bei meinem nächsten Wochenendbesuch war mein Vater aber schon so schwach, daß er nicht mehr aufnahm, wasich ihm erzählte. Ich rief jedoch Mr. Hibble an. Während eines Gesprächs im Sommer hatte er mich gefragt, wie lange ich noch fünfmal in der Woche einen Psychiater aufsuchen würde. Allmählich summiert es sich zu einem ziemlichen Batzen, sagte er. Ich gab ihm recht: Das wisse ich, aber ich könne nicht vorhersagen, wie lange ich mich nach den Sitzungen mit Dr. Reiner noch in New York weiterbehandeln lassen müsse. Nach meinem Umzug würden die Studiengebühren und die Rechnungen für Wohnen und Essen im College wegfallen. Natürlich hätte ich dann andere Ausgaben.
    New York, sinnierte er, also da wollen Sie leben.
    So ist es, erklärte ich, vorausgesetzt, die Army zieht mich nicht ein; falls doch, erübrigen sich die Kosten für einen Psychiater, bis ich entlassen werde.
    Wir werden sehen, sagte er und fragte, welche Arbeit ich mir in New York vorgenommen hätte. Als er hörte, daß ich Bücher schreiben wollte, schüttelte er den Kopf und teilte mir mit, ich hätte wirklich großes Glück, daß der alte Mr. Standish den Trust als Rückversicherung für mich eingerichtet habe; als Schreiberling könne man keine großen Sprünge machen. Ich war nicht so dumm, mir einzubilden, daß mein Vorschuß das Gegenteil beweisen würde. Trotzdem wollte ich, daß Mr. Hibble davon erfuhr.
    Obwohl ich an dem Roman einiges ändern mußte, war ich nicht überlastet, da ich keine Magisterarbeit in einem Spezialfach schrieb. Nach der Beisetzung besuchte ich meine Mutter zweimal. Vor dem Tod meines Vaters hatte sie unter den durch seine Krankheit bedingten Einschränkungen gelitten. Jetzt wußte sie offenbar nicht wohin mit sich. Paare, bei denen meine Eltern sonst zum Dinner gewesen waren, luden meine Mutter allein noch nicht ein; Freundinnen hatte sie nicht; die Männer, über die man so viel getuschelt hatte, hielten sich bedeckt oder waren von der Bildfläche verschwunden. Ihr Telefon klingelte nicht. Materielle Sorgen hätten eine Ablenkung sein können, aber Cousin Jack stand zu seinem Wort: Ein Mitarbeiter von Mr. Hibble brachte die Finanzen meines Vaters in Ordnung; die Pension, die ihr die Bank als Unterhalt zahlte, war so hoch, daß sie weiter wie bisher leben konnte und nicht versuchen mußte, ihre Ausgaben einzuschränken. Eine Lebensversicherung, von der sie nichts oder nichts mehr wußte, ermöglichte es ihr, die Hypothek auf dem Haus abzulösen. Eine zweite Versicherung, die sie nicht vergessen hatte, zahlte ihr einen Betrag, von dem sie immer angenommen hatte, er würde knapp zur Deckung ihrer Grundbedürfnisse ausreichen. Jetzt war er nur der Zuckerguß auf dem Kuchen; Mr. Hibble redete ihr zu, sich mit einem Teil des Geldes etwas Besonderes zu gönnen, das ihr helfen würde, sich neu zu orientieren. Den Rest solle sie in sicheren Papieren anlegen; dabei werde er sie unterstützen.
    An meinem letzten Tag in Lenox erzählte sie mir, daß sie sich eine Arbeit suchen wollte, vielleicht in der Verwaltung des Riggs-Center, vielleicht auch etwas im Zusammenhang mit den Konzerten in Tanglewood. Was ich davon hielte? Beide Ideen seien gut, versicherte ich. Ob ich glaubte, mein Arzt könne im Riggs ein Wort für sie einlegen? Ich erklärte ihr, meiner Meinung nach würden Analytiker sich nicht für die Familien von Patienten verwenden, aber ich würde mit Cousine May sprechen, falls sie das nicht selbst tun wolle. Allerdings müßte ich sie von Cambridge aus anrufen, denn sonst könne ich den Fünf-Uhr-Bus nach Boston nicht mehr erreichen. Im Auto sagte sie mir, sie werde selbst mit May sprechen; im Riggs würde sie wirklich gern arbeiten. Und dann wurde ihr Ton eindringlicher, und sie versicherte, zuerst und vor allem wolle sie Lenox hinter sich lassen. Diese Monate sind scheußlich, sagte sie. Ich möchte in die Sonne, weg von dem Matsch und der Kälte.
    Willst du ein paar Tage mit mir nach Puerto Rico kommen? fragte sie. Wir könnten nächsten Donnerstag von New York abfliegen, und am Montag oder Dienstag wärst du wieder in Cambridge. Ich lade dich ein.
    Langsam, sagte ich, laß mich nachdenken.
    Mindestens für drei ausfallende Stunden würde ich Dr. Reiner bezahlen müssen – Donnerstag, Freitag und Montag, falls ich am Dienstag rechtzeitig wieder in Cambridge war, sonst wurden es vier. Das war viel Geld für nichts.

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