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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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lehnte er ab, selbst in den schlimmsten Wintermonaten, wenn jedermann mit etwas Kleingeld irgendwohin fuhr – möglichst weit weg von den Berkshires. Er wollte immer nur Tennis und Golf spielen oder in der Nähe der Umkleideräume sitzen und trinken. Ihn zum Skifahren zu bewegen war immer ein Kampf, auch wenn der Golfplatz tief verschneit war.
    Das stimmte. Mehrere Sommer hintereinander hatten sie mich zu einem Segelkurs in Marion geschickt, aber als Familie hatten wir nie Ferien gemacht. Wir waren zum Skilaufen nach Catamount gefahren, als ich klein war, und später nach Stowe oder zum Mount Snow, sind aber selten über Nacht und nie mehrere Tage geblieben. Mein Vater war wie George Standish: Es machte ihm nichts aus, für sechs Stunden am Berg sechs Stunden mit dem Auto zu fahren, undwenn es auf dem Rückweg dunkel war, wußte er, daß er keine Zeit vergeudete, die er auf den Hängen hätte nutzen können. Wenn er zu Konferenzen der Vermögensberater nach Florida reiste, konnte man sicher sein, daß er sich über die Hotelgäste und die Langeweile beschweren würde. Meine Mutter muß denselben Gedanken verfolgt haben, denn sie drehte sich auf die Seite und sagte mir, wenn er seine Geschäftsreisen genossen und zu kleinen Seitensprüngen genutzt hätte wie andere Männer unterwegs, dann wäre er vielleicht weniger kleinlich gewesen.
    Die Frist von dreißig Minuten, die sie bis zum Servieren der zweiten Runde Daiquiris gesetzt hatte, war offenbar um, denn der Kellner kam mit den Drinks und stellte sie auf den Nachttisch an ihrem Bett. Sie lobte ihn und setzte zu einer neuen Bestellung an, aber ich unterbrach sie und erklärte ihm, wir würden uns melden, wenn wir noch etwas brauchten.
    Du kannst dir nicht vorstellen, wie das Leben mit ihm war, fuhr sie fort, was er von mir verlangt hat, wozu er mich überreden wollte. Die Tricks, die man versucht, wenn das Sexleben abgestorben ist. Ich erspare dir die Einzelheiten. Du warst so selten zu Hause, und jetzt bist du ein Fremder, a tall dark stranger.
    Ich sagte nichts. Sie lachte und meinte: Ich wette, du weißt nicht mal, wovon ich rede.
    Ich antwortete, daß sie gelegentlich schwierige Momente gehabt hätten, sei mir klar gewesen.
    Ach das, sagte sie, das habe ich nicht gemeint, aber die gab’s auch. Weil er unbedingt das Gerede über all die Männer, mit denen ich ausgegangen bin, glauben wollte. Dauernd hat er darauf rumgehackt. Ich sehe nicht ein, warum. Für ihn war immer noch reichlich da, für ihn und seine abstrusen Ideen.
    Ich schüttelte den Kopf. Wir versanken eine Weile inSchweigen. Als ihr Glas leer war, setzte sie sich auf, griff nach dem anderen Daiquiri und sagte: Komm, setz dich zu mir und trink einen Schluck. Er wird dir schon nicht zu Kopf steigen.
    Ich lehnte ab: Ich wolle nichts mehr trinken.
    Auch gut, sagte sie, komm trotzdem her zu mir.
    Als ich es tat, legte sie den Arm um mich und biß mich ins Ohr.
    Das hat gut geschmeckt, sagte sie, trank das Glas leer, schüttelte das Kopfkissen auf und lehnte sich zurück.
    Ich blieb einen Moment auf dem Bett sitzen und zog mich dann an meinem Schreibtisch zurück.
    Übrigens, sagte sie, dein Rat, May Standish anzurufen, war gut. Im Riggs ist eine Stelle zu besetzen; ich könnte im Empfang und zugleich als Bibliothekarin arbeiten. Ich habe May gesagt, daß ich die Stelle annehme. Manche der Ärzte und Patienten scheinen sehr interessant zu sein.
    Ich sagte, das freue mich sehr.
    Ich denke, zwei Wochen nach meiner Rückkehr werde ich anfangen. Das läßt mir Zeit, die Kleider deines Vaters zu sortieren. Du wirst sie nicht brauchen können, glaube ich. Den Waschbärpelz hast du schon, und alles andere ist dir viel zu groß. Ich lasse die Sachen von der Heilsarmee abholen. Wenn ich mich dann im Riggs eingearbeitet habe, werde ich Ausschau halten. Nicht in der alten Clique, keine Sorge, aber ich kann nicht die ganze Zeit allein sein. Du hast doch nichts dagegen, tall dark stranger , oder?
    Ich schüttelte den Kopf und sagte, ich verstünde. Während sie redete, hatte ich sie genau betrachtet. Sie hatte einen erstaunlich guten Stoffwechsel: Sie konnte soviel essen und trinken wie sie wollte, ohne je ein Pfund zuzunehmen. Nur ihr Gesicht wirkte in letzter Zeit leicht aufgedunsen.
    Es ist wirklich ganz in Ordnung, wiederholte ich, aber mit den Daiquiris und Martinis solltest du vorsichtig sein. Schöner wirst du davon nicht.
    Danke für den guten Rat, sagte sie. Aber ich habe nicht die Absicht, Zeit zu

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