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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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die Abschlüsse, an denen sie beteiligt waren, die abzurechnenden Arbeitsstunden, die sie in der letzten Woche oder imvorigen Monat oder seit Anfang des Jahres geschunden hatten, das exzentrische Verhalten der Partner, für die sie arbeiteten, und, wenn diese und ähnliche Themen erschöpft waren, mit den Feinheiten der Gutachten, die sie für Kapitalgeber in gesicherten Finanzierungsgeschäften geschrieben hatten. Sie taxierten einander, da es eine beunruhigende, schwer zu entscheidende Frage war, wer den größeren Schick hatte und den besseren Eindruck machte: einer, der direkt aus dem Büro kam, die Aktentasche von Peal’s vollgestopft mit Dokumenten, die vor Sonnenaufgang noch durchgelesen und mit Anmerkungen versehen werden mußten (als ob das nach dem zweiten Whiskey oder Kognak im Anschluß an das Dinner noch möglich gewesen wäre); oder einer, der noch schnell nach Hause gefahren war und in ein hübsches Jermyn-Street-Hemd und einen blauen Blazer von Anderson & Sheppard geschlüpft war.
    Natürlich konnte Henry darauf zählen, daß George und Edie ihn zu ihren kleinen Abendessen einluden. Das taten sie ständig, erklärte George mir, denn Edie habe ihn genausogern wie er. Sie sei übrigens zuerst auf die Idee gekommen, ihn zu bitten, einer der Platzanweiser bei ihrer Hochzeit zu sein. Sonst würde er sie nicht drängen, ihn einzuladen, denn solche Dinge überlasse man am besten einer Frau, vor allem, wenn es so schwer war wie in Henrys Fall, die passende Tischdame für jemanden zu finden.
    Ich sagte, ich sei überrascht, daß Henry nicht leicht zu plazieren sei.
    Da kommen einige Faktoren zusammen, erklärte er mir. Edie hat gern eine ausgeglichene Tischordnung, was verständlich ist, und Henry schafft es anscheinend nie, eine Begleiterin mitzubringen. Ich verstehe es nicht, weil ich nicht glauben kann, daß er sich nicht mit Mädchen trifft oder nur mit den grauen Mäusen, die er uns nicht vorzeigen will, weil er sich schämt. Wir haben versucht, ihn für EdiesCousine Mary zu erwärmen und für ein paar Mädchen, mit denen Edie in die Schule gegangen ist, auch diese Adams, die auf der Hochzeit war, aber es hat nicht geklappt. Auf Mary hatten wir wirklich gesetzt. Sie war schon immer eine begeisterte Leserin, also hätten sie sich verstehen müssen. Nachdem wir die beiden beim Essen nebeneinander gesetzt hatten, ist er ein- oder zweimal mit ihr ausgegangen, aber das war auch alles. Edie hat den Verdacht, daß er zu schnell und zu direkt aufs Ganze ging. Ich glaube, die anderen Mädchen hat er nicht mal angerufen.
    Ich fragte, ob Henry im Büro zurechtkomme und warum es in einer so großen Kanzlei wie Wiggins & O’Reilly kein geselliges Leben gebe, in das er sich stürzen könne.
    In der Kanzlei geht es Henry gut, darum mußt du dir jedenfalls keine Sorgen machen, antwortete George sehr ernst. Mr. Allen setzt ihn die ganze Zeit ein. Das allein will schon viel heißen, denn er ist ein sehr strenger Lehrmeister. Und er hat viel Macht. Henry arbeitet auch für Jim Hershey. Jedenfalls, wenn Hershey da ist. Meistens ist er für seine internationalen Mandanten unterwegs. Die Leute sagen, daß Hershey auf seine undurchschaubare Weise ein Auge auf Henry hält, und auch er ist sehr mächtig. Aber das alles geschieht außerhalb meiner kleinen Abteilung, und ich kann nur weitergeben, was ich gehört habe.
    Ich begriff, daß dies Informationen aus zweiter Hand waren. George saß in der Trust- und Vermögensverwaltung, während Henry mit dem viel interessanteren Aktien- und Gesellschaftsrecht beschäftigt war. Die beiden Welten hatten kaum Berührungspunkte. Trotzdem wiederholte ich meine Frage: Wenn das alles stimmte, warum war Henry dann nach der Arbeit allein?
    Die Frage ist schwer zu beantworten, sagte George. Bei Wiggins ist es nicht weit her mit der organisierten Geselligkeit, wir haben keine monatlichen Cocktailpartys wieandere Kanzleien. Bei uns gibt es für alle Anwälte einmal im Winter ein Dinner und im Juni einen Ausflug. Die Leute organisieren ihr Leben selbst. Partner laden kaum je Mitarbeiter ein. Ich bin sicher, daß die Allens Henry, immer wenn sie einen zusätzlichen Mann brauchen, zum Essen einladen, er ist praktisch Mr. Allens Sklave. Vielleicht nimmt ihn Hershey mit zum Dinner in seinem Club. Mrs. Hershey hatte Kinderlähmung, als sie schon verheiratet war, und sie sitzt im Rollstuhl. Ich glaube nicht, daß sie zu Hause große Essen geben. Und soviel ich weiß, hat er sich auch mit keinem der

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