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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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anderen Mitarbeiter angefreundet. Vielleicht, weil er zu beschäftigt ist, oder vielleicht, weil er und die beiden anderen aus seinem Jahrgang an der Law School, die wir eingestellt haben, Forrester und Lovett, nicht viel miteinander anfangen konnten. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wer seine Freunde waren. Diese beiden Kerle kenne ich nur zufällig, weil wir zusammen zur Schule gegangen sind.
    Als ich darüber nachdachte, fiel mir wieder ein, daß George versucht hatte, Henry in seinen Club an der Law School einzuführen, eine für George peinliche Angelegenheit, weil sie fehlschlug.
    In der Kanzlei ist es üblich, erklärte George, daß unverheiratete Mitarbeiter aus demselben Jahrgang oder derselben Gruppe, wenn sie in kleinen Abteilungen wie Trusts und Vermögen arbeiten, auch zusammen um die Häuser ziehen, Partys in ihren Wohnungen feiern und so weiter. Ein paar von ihnen können gut kochen. Sie haben Mitbewohner, das macht es leichter, größere Essen vorzubereiten. Ich weiß nicht, warum Henry keinen einzigen Mitbewohner hat. Sein Apartment ist in Ordnung. Kurz nach seinem Einzug hat er uns zu Cocktails eingeladen, ausgerechnet mit Margot. Das hätte haarig sein können, aber ich glaube, sie und ich, wir haben es ganz gut gemacht. Ich habe da etwas läuten hören, wahrscheinlich ist es nur dummes Gerede,aber angeblich wurde Henry eingestellt, weil Jim Hershey zu dem dafür zuständigen Partner gegangen ist und gesagt hat: Stell ihn ein. Warum er das verlangt haben mag, weiß ich nicht, aber wenn es stimmt, hätte er Henry damit keinen Dienst erwiesen. Tatsache ist, daß, soweit ich mich erinnern kann, niemand in der Kanzlei ein Einstellungsgespräch mit Henry geführt hat. Ich weiß, daß Edie ihren alten Herrn gebeten hat, sich für Henry einzusetzen, und daß er sagte, er habe es versucht, aber gemerkt, daß er nichts tun könne. Hätte man ein Gespräch mit Henry geführt, wäre er normalerweise gefragt worden, ob er Freunde unter den Mitarbeitern der Kanzlei habe. Und dann wäre jemand mit ihm zu denen gegangen, die er genannt hatte. Ich wäre auf jeden Fall einer davon gewesen. Also ist vielleicht doch etwas an der Theorie, daß er durch Befehl von oben in die Kanzlei kam. Das ist eine Ergänzung zu dem, was wir, du und ich, schon wissen: daß er bei aller Brillanz, Energie und besten Examensnoten kein ganz typischer Mitarbeiter der Kanzlei Wiggins & O’Reilly ist.
    Das wußte ich. Auch die ausführlichere Geschichte von Henrys Jobsuche kannte ich – vielleicht war sie George genauso bekannt –, keine Erfolgsgeschichte, obwohl er leicht eine Anstellung hätte finden müssen, da er zu den Besten seines Jahrgangs gehörte. Wie er mir an dem Abend erzählte, als er mich zu Margot mitnahm, hatte er den Sommer zwischen dem ersten und zweiten Jahr an der Law School dazu gebraucht, die Hinterlassenschaft seines Vaters in Ordnung zu bringen. In seiner Freizeit war er ausschließlich mit Margot zusammengewesen. Entscheidend war der folgende Sommer. Henry bewarb sich bei fünf oder sechs führenden New Yorker Kanzleien, deren Namen er vom Hörensagen oder aus dem Verzeichnis der Law School kannte. Das hieß, er hielt sich nicht an die Meinung aller jüdischen Jurastudenten in seiner Bekanntschaft, Mitarbeiter der Law R eview eingeschlossen, die sämtlich überzeugt waren, daß diese Kanzleien kaum je Juden einstellten, allenfalls dann, wenn es sich um Söhne des deutschen jüdischen Großbürgertums handelte. Selbst diese besonderen Juden wurden, wenn sie eingestellt waren, nicht zu Partnern gemacht – mit einer einzigen Ausnahme, soweit man wußte: Augustus Stern, Partner in der Kanzlei Albright & Kinsolving, brillant, allgemein bekannt als der am wenigsten jüdische Jude; er war verschwägert mit der Familie, in deren Besitz die eleganteste jüdische Investmentbank war; Mr. Bowditch sagte gern, Stern sei aufgewachsen mit der Erwartung, Master der Meute bei einer der Fuchsjagden in South Jersey zu werden. Henry gab zu, daß er dies mit einem Teil seines Verstandes für richtig hielt – daß er es auch selbst hätte herausfinden können. Aber etwas in ihm rebellierte gegen diese Weltklugheit: Dies ist ein freies Land, sagte er sich, und ich will nicht so werden wie die fatalistischen amerikanischen Primitiven im Grundausbildungslager in Fort Dix mit dem Motto: Leck mich, das Lachen ist mir vergangen. Du, George, Archie und Margot, ihr habt mich für den amerikanischen Traum gewonnen. – All das erzählte er

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