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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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mir während eines Mittagessens im Henri IV . im Herbst seines dritten Jahrs an der Law School, als ich zu Besuch bei Tom Peabody in Cambridge war.
    Ich sagte, daß ich Margots Namen nicht auf dieser Liste erwartet hätte.
    Was soll das heißen, antwortete er, sie hat mir die Tür geöffnet, durch die ich am liebsten eingelassen werden wollte.
    Ich forderte ihn auf, weiterzuerzählen.
    Merkwürdig sei es gewesen, daß fünf Anwaltsfirmen in New York ihn zu einem Gespräch bestellt hätten, aber nur eine davon ihm eine Stelle angeboten habe, und zwar ausgerechnet die, die ihm am wenigsten gefiel: lauter als Anwälteherausgeputzte Iren, die im wirklichen Leben wahrscheinlich Feuerwehrmänner oder Polizisten waren. Sie hätten ihn offenbar verwechselt und aus Versehen für Mr. O’Boyle oder Sweeney gehalten. Jedenfalls habe er nicht im Traum daran gedacht, dieses Angebot anzunehmen. Nicht, solange es in New York jüdische Kanzleien gebe, die ihn allesamt liebend gern haben würden, Kanzleien voller Partner und Mitarbeiter, die bessere Examensnoten hätten als die Leute in den Firmen, an die er sein Herz gehängt hatte. Aber das Herz habe seine eigenen Gründe: Eine solche Entscheidung hätte ihn in unseren Augen herabgesetzt, glaubte er. Was würde ich denken, was würden Archie, George und Margot denken, wenn er, der freie Geist, mit null Interesse am Jüdischsein, sich beugte und ins Ghetto ginge? Die Frage habe sich erübrigt, weil Mr. Hornung ihm zur Hilfe gekommen sei und ihn gedrängt habe, den Sommer über als sein Assistent an der Bank zu arbeiten. Er ist sogar nach Boston gereist, um mir seinen Vorschlag persönlich zu unterbreiten, sagte Henry, und das, obwohl seine Bank keine Anwälte einstellt und er bestimmt nicht herumzieht, um einen besseren Laufburschen anzuheuern. Ein Anruf wäre mehr als genug gewesen.
    Henry war überrascht, daß ihm Mr. Hornung dieses Angebot machte und daß er sich für sein Weiterkommen interessierte; dazu kam noch, daß Margot ihm kein Wort davon gesagt hatte. Sie hatte sich an der École du Louvre eingeschrieben und lebte in Paris; und ihr Vater hatte ihr nichts erzählt. Als Henry den Schock überwunden hatte, überlegte er sich, daß dieser mächtige reiche Mann, der ihn so eingeschüchtert hatte, es wirklich gut mit ihm meinte und mit aller Wahrscheinlichkeit nichts von der Art seiner Beziehung zu Margot wußte. Er griff nach dem Glückslos, das ihm angeboten wurde, und nahm den Job. Am Ende des Sommers kam eine neue Überraschung. Mr. Hornunglud ihn zum Essen in La Côte Basque ein und erklärte ihm, er solle erst sein juristisches Examen und anschließend lange Ferien machen und danach wieder in die Bank kommen. Die Branche liege Henry weit mehr, als er selbst vielleicht glaube, und er würde den Fehler seines Lebens begehen, wenn er seine Begabung nicht nutze. Henry dankte ihm mit soviel Wärme, wie er zu zeigen wagte. Dann erklärte er, daß sich ganz gegen seine Erwartung herausgestellt habe, daß ihm das Jurastudium Spaß mache und daß er sich an der Law School gut halten könne. Deshalb sei er entschlossen, es mit der Rechtspraxis zu versuchen. Mr. Hornung nickte und sagte, das enttäusche ihn. Margot werde wahrscheinlich auch enttäuscht sein – dies war das erste Gespräch mit Henry, in dem er sie erwähnte –, aber enttäuscht oder nicht, er werde sich jedenfalls nicht entmutigen lassen. Er halte sein Angebot aufrecht. Es sei denn, er verkaufe die Bank, schränkte er dann ein. Henry erlaubte sich die Frage, was in einem solchen Fall aus seinen Aussichten würde, falls er eingewilligt hätte, an die Bank zurückzukommen. Mr. Hornung schmunzelte und antwortete, womöglich ließen sich Lösungen finden.
    Ich fand diesen Ausgang ganz erstaunlich. Was wirst du jetzt machen? fragte ich. Wenn ich mich richtig an Georges Erfahrungen erinnerte, würde es bald eine neue Auswahlrunde für Bewerber um feste Mitarbeiterstellen in Kanzleien geben.
    Am Supreme Court sind zwei Richter, für die ich gern arbeiten würde, Frankfurter und Harlan. Das Problem ist, daß sie keine Assistenten nehmen, die direkt von der Law School kommen. Man muß zuerst an einem Berufungsgericht arbeiten, und das Problem dabei ist, daß mich dort nur sehr wenige Richter interessieren. Genau genommen nur einer, Henry Friendly in New York. Wenn das nichts wird, werde ich mich wohl wieder bei denselben fünf Kanzleienbewerben. Nur aus Spaß, um zu sehen, ob die Iren mich immer noch wollen.
    Unser

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