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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Mittagessen hatte mehr Zeit gekostet als vorausgesehen. Ich war zum Dinner mit Tom Peabody verabredet, also ziemlich früh am Abend, und hoffte, in den restlichen Nachmittagsstunden noch etwas arbeiten zu können. Ich bat um die Rechnung, und während wir darauf warteten, fragte Henry, ob ich Weihnachten in New York sein würde. Ich sagte, wahrscheinlich nicht, ich wolle Skilaufen gehen, aber er könne auf jeden Fall gern in meinem Apartment wohnen. Auf diese Einladung hatte er gehofft. Das Haus in der Dorchester Road sei verkauft – aber da hätte er sowieso nicht bleiben wollen –, und Margot habe ihre Wohnung aufgegeben. Sie sei immer noch in Paris.
    Ich verschob meine Skiferien jedoch, um meine Mutter und Greg Richardson ins Rathaus von Pittsfield zu begleiten, wo sie – zu einem ungeschickten Termin – zwei Tage nach Weihnachten heirateten. Heiligabend und Weihnachten bei ihnen zu sein war mehr, als ich meinen Nerven zutraute, und mehr, als man vernünftigerweise von mir verlangen konnte. Die Standishs nahmen mich auf, und sobald ich meine Mutter zum Standesamt geführt und an einem Mittagessen im Club teilgenommen hatte – Greg war nun vollwertiges Mitglied –, zusammen mit nicht weniger als drei Riggs-Patienten in einem ähnlich ungeklärten Status wie Greg, fuhr ich zurück nach New York und in die Ruhe meiner Wohnung. Mir ging es nicht gut, und ich fürchtete, daß ich mich nicht freuen würde, Henry zu sehen. Ich irrte mich. Er verstand, was ich meinte, als ich sagte, ich sei nicht in Topform, und hielt sich tagsüber von mir fern.
    Seine unmittelbare Zukunft sei anscheinend geklärt, sagte er mir beim Abendessen am Tag meiner Rückkehr: Er werde Mr. Hornungs Rat folgen und Ferien machen, vielleicht mit Margot, falls ihre Situation bis dahin wenigerverworren sei, und dann als Mitarbeiter in Georges Kanzlei Wiggins & O’Reilly anfangen.
    Ich sagte, dazu könne man ihm nur gratulieren. Er nickte. Alle seien überrascht gewesen, erzählte er mir, besonders George. Archie – damals hatte er noch vier Jahre zu leben – habe eine sehr komische Bemerkung gemacht. Er sagte: Und was kommt als nächstes? Juden bei den DAR , den Töchtern der Amerikanischen Revolution? George hat mir im Vertrauen erzählt, fuhr Henry fort, daß Edie in Kenntnis meiner Angst, keinen guten Job zu finden, ihren Vater gebeten hatte, bei Nick Allen, der Wiggins mehr oder weniger leitet, ein Wort für mich einzulegen, aber ihr Vater meinte, das könne nur ins Auge gehen, weil sie es zum Schibboleth erklärt haben, keine Einmischung von Mandanten, und seien sie noch so wichtig, in ihre Personalpolitik zu dulden. Edie meinte, daß ihr Vater vollkommen offen mit ihr gewesen sei und mit Allen gesprochen hätte, wenn er gedacht hätte, damit helfen zu können. Er kannte mich, weil ich bei der Hochzeit gewesen war, und ob er überhaupt wußte, daß ich Jude bin, war ihr nicht klar.
    Und Margot, fragte ich, was meint sie?
    Das ist wirklich überraschend. Sie erklärte mir im November, daß es eine Dummheit von mir wäre, nicht in eine der jüdischen Kanzleien zu gehen, die mich mit offenen Armen aufnehmen und mir ein normales Leben ermöglichen würden. Ich sagte, das komme nicht in Frage. Natürlich habe ich sie sofort angerufen, als ich die Zusage von Wiggins & O’Reilly hatte.
    Was für ein ungewöhnliches Mädchen, unterbrach ich.
    Sie ist sonderbar, stimmte er zu, und sehr intelligent. Aber hier hat sie sich geirrt, glaube ich.
    Dann erzählte er mir, daß er sich mit ihr weniger auskenne denn je und trotzdem überzeugt sei, daß sie füreinander bestimmt seien. Andererseits könne er sich bei allemVerständnis für ihr Verlangen nach sexueller Freiheit nicht vorstellen, dies zu akzeptieren, falls sie heirateten – nicht daß er glaubte, sie würde ihn je heiraten. Oder das seltsame Spiel mitzumachen, das sie mit ihm treibe. Zum Beispiel habe er im November, als er nach New York gekommen sei, um sie zu sehen, ein Zimmer im Waldorf genommen, damit sie zusammensein konnten.
    Im Waldorf? unterbrach ich wieder.
    Ich sehe schon, du erinnerst dich an Madeleines Besuch, erwiderte er, ich auch. Die Erinnerung war nicht der Grund, warum ich in das Hotel gegangen bin. Ich dachte nur, wenn Madeleine es ausgesucht hat, muß es in Ordnung sein. Ich verstehe nichts von New Yorker Hotels.
    Soll das heißen, daß ihr es jetzt miteinander macht, du und Margot? fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf und sagte nein, nicht ganz. Im November ging sie mit

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