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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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hatte zeigen wollen, da der Eigentümer es angeblich so möbliert hatte, daß es aussah wie eine Portiersloge, deren Hauptzierat das Spitzendeckchen auf dem großen Radio im Wohnzimmer war. Wenn ich in Paris bleibe, sagte er, werde ich nicht mehr wie ein Büroangestellter wohnen, aber solange ich ein Büroangestellter bin und auch so bezahlt werde, sehe ich nicht ein, warum ich vornehm tun soll. Dies war eine neue Entwicklung in Henrys Konzept. Vielleicht würde er in Zukunft weniger Zeit und Energie auf den Versuch verwenden, in jedem Wettbewerb der erste zu sein – auch wenn nichts davon abhing, daß er gewann.
    Madame Bernard zog nach Genf. Der Strauß feuerroter Rosen, den ich ihr zu unserer letzten Sitzung brachte, war wahrscheinlich im Mülleimer gelandet oder an die Concierge weitergegeben worden. Madame Bernard tat erfreut, dankte mir, ohne das Interpretationsmesser zu wetzen, und fragte mich, ob ich je nach Genf führe. Wenn Sie kommen, fuhr sie fort, würden mein Mann und ich uns freuen, Sie zum Abendessen bei uns zu sehen. Sie gab mir ihre Karte. Ich dankte ihr meinerseits, fühlte mich durch ihre Initiative ermutigt und fragte sie, ob ihr Gatte auch an der Universität lehre. O nein, sagte sie, er ist Dichter – ein ziemlich bekannter, aber er hat nicht denselben Namen wie ich.
    Ein Anfall von Schüchternheit verbot mir, nach dem Namen des Ehemanns zu fragen, und wahrscheinlich sah sich Madame Bernard aufgrund einer ähnlichen Regung gezwungen, mir zu erklären, daß sie in Genf nur Lehranalysen übernehmen werde. Privatpatienten werde sie nicht behandeln. Ich spürte, daß die Trennlinie zwischen Analytiker und Patienten wieder gezogen war und daß ich sie bei einem möglichen Besuch nicht überqueren würde.
    Meine Neugier war geweckt, und ich hätte vielleichteinen Grund gefunden, im Frühherbst Station in Genf zu machen, wäre nicht ein Brief meiner Mutter gekommen, der mich nach Lenox rief. Sie schrieb, sie und Greg seien sowohl die Winter in den Berkshires leid – auf den Hängen trieben sich immer mehr Leute herum, und sie beide hätten nicht viel Lust zum Skilaufen – wie die Sommer, wenn die Tanglewood-Touristen in Horden einfielen. Blieben nur der Frühling voller Matsch, über den man am besten gar nicht rede, und der Herbst, der herrlich sei, wenn man die Busladungen alter Damen auf der Suche nach Herbstlaub und Ahornsirup übersehen könne, aber das sei unmöglich. Auch sei sie die Gehässigkeit ihrer Freunde leid. Also hätten sie beschlossen, nach Hawaii umzuziehen – nicht nach Oahu, diese Insel finde Greg zu kommerzialisiert und zu amerikanisch –, sondern nach Maui, das noch so war wie Hawaii früher. Ich würde zweifellos einsehen, daß es für sie und Greg keinen Sinn hätte, das Haus in Lenox zu behalten, das trotz seines hervorragenden Zustandes eine große finanzielle Belastung sei. Sie finde, daß ich es kaufen sollte. Das Haus sei von der Familie gebaut und immer in Familienbesitz gewesen – Cousin Jacks Haus in Stockbridge dagegen sei nur ein Hochzeitsgeschenk von Mays Vater. Ich würde es nicht bereuen. Die Immobilien in den Berkshires seien solide und würden im Wert steigen, ein historisches Bauwerk im Besitz eines berühmten Autors würde einen Spitzenpreis erzielen.
    Ich antwortete, daß ich über ihren Vorschlag nachdenken müsse, und wenn ich den Eindruck hätte, er sei akzeptabel, würde ich Anfang Oktober in die Berkshires kommen. Wohnen würde ich bei George und Edie in dem ehemaligen Stall, den die Eltern Standish für die beiden zu einem für sich stehenden Cottage umgebaut hatten. Dann telefonierte ich mit Mr. Hibble, berichtete ihm von dem Angebot und fragte nach seiner Meinung. Es sei ein Schnäppchen, sagteer, mit oder ohne Mobiliar aus Familienbesitz, aber warum meine Mutter mir das Haus nicht einfach schenke, könne er nicht verstehen. Mit der Pension von der Bank und dem Richardson-Vermögen dürfte sie nicht auf das Geld angewiesen sein. Natürlich müßte es nach ihrem Tod von Rechts wegen ohnehin wieder an mich zurückfallen. Aber kann ich mir den Kauf leisten? fragte ich. Ja, sagte er, auch wenn Sie nie wieder einen Dollar verdienen. Außerdem hat sie recht mit den Immobilien in den Berkshires; es gibt kaum bessere Investitionen.
    Der Umgang mit meiner Mutter war immer dann angenehm, wenn sie in allen Einzelheiten ihren Willen bekam. Ich besuchte sie am Tag nach meiner Ankunft, erfuhr, daß sie mir alle aus der Familie Standish stammenden

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