Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
Vom Netzwerk:
Ritz, aber ich fand niemanden, auf den die Beschreibung paßte, die ich mir ausgedacht hatte. Ich nutzte die Gelegenheit einer kurzen Unterhaltung mit meinem Verleger – er war mit dem Lektor gekommen, der sich um du Rocs Bücher kümmerte – und fragte ihn, ob er mich den Eltern vorstellen würde. Sie sind nicht da, erklärte er mir. Sie sind insortables, nicht gesellschaftsfähig. Jean zeigt sie nicht vor. Er läßt sie nur in seinen Romanen auftreten.
    Nach dem Empfang aßen Henry und ich noch zusammen in einer Brasserie in Les Halles. Bizarr, sagte er. Warum hat dieses idiotische Mädchen mich nicht gewollt? Sag mir, warum hat sie ihn genommen und nicht mich?
    Sie ist eigenartig, erwiderte ich.
    Und sag mir, warum er sie noch nicht angebufft hat, damit er das Geld eisern im Griff behält. Ich habe mich umgehört. Er hat ein Kind aus seiner ersten Ehe und zwei aus der zweiten, also wissen wir, daß er es kann. Daß er kein Geld hat, weil er alles für die Alimente ausgibt, ist Blödsinn. Er zahlt keinen Cent und kümmert sich nicht im geringsten um die Kinder, also würde es ihn kaum belasten, wenn er ein viertes Kind, diesmal mit Margot, hätte. Was ist los? Erzähl mir nicht, es gehe ihm ums Prinzip, um den Kampf gegen Übervölkerung.
    Die Pille, erklärte ich ihm. Die verflossenen Mesdames du Roc konnten sie nicht kaufen, also ließen sie es drauf ankommen und hatten Pech.
    Er lachte nicht. Ich hatte auch nicht erwartet, daß ihm zum Lachen war. Für Paris hatte er sich entschieden, weil die Graubärte bei Wiggins & O’Reilly ihm schließlich deutlich genug gesagt hatten, daß sie es wünschten, und weil er wußte, daß die Uhr in den mahagonigetäfelten Büros von Wiggins & O’Reilly an der Wall Street lief. Noch so und so viele Monate, Tage und Stunden bis zu dem gefürchteten Datum der Entscheidung über ihn und ein paar andere arme Teufel – wahrscheinlich George Standish ebenfalls. Ohne Zweifel tickte auch im Büro an der Place de la Concorde eine Uhr, und auch dort mußte man Bosse überzeugen. Wie berechtigt mein Verdacht bezüglich der Rolle Jim Hersheys war, wieviel davon Henry herausgefunden hatte, das waren Unwägbarkeiten. Fragen konnte ich ihn auf keinen Fall. Aber als er sagte, daß Hershey ihm geraten habe, der Kanzlei zu trauen, glaubte er offensichtlich, daß er damit einen wichtigen Rat erhalten hatte, den er befolgen sollte. Ob er eine klare Vorstellung von seinem Wert für die Kanzlei besaß, war auch unsicher; er konnte leicht von einem Extrem ins andere fallen, einmal stolz bis überheblich sein und dann wieder garnichts von sich halten. George erzählte mir jedesmal, wenn wir auf das Thema kamen, daß sehr einflußreiche Partner bei Wiggins überzeugt waren, Henry könne Wunder wirken, und dasselbe wird er Henry gesagt haben. Aber Henry hatte schon erlebt, wie ihm andere sicher geglaubte Preise vor der Nase weggeschnappt wurden, und die Aussicht, in Paris auf dem Trockenen zu sitzen, während nebenan der Preis, den er sich mehr als alles andere wünschte, von einem anderen besessen und genossen wurde, diese Aussicht war unerträglich und erschreckend.
    Ich hatte ihm gesagt, daß meine Analytikerin im folgenden Sommer nach Genf ziehen wollte und daß ich damit weniger Grund hätte, in Paris zu bleiben, und deshalb noch nicht wußte, was ich als nächstes tun würde, falls ich wirklich wegginge. Tom Peabody drängte mich, Rom in Betracht zu ziehen. In der Unterhaltung mit Henry wurde mir klar, wie sehr er auf meine dauernde Anwesenheit in Paris gezählt hatte. Er hatte sich vorgestellt, daß wir zu unserer alten Vertrautheit zurückfinden, das hieß, täglich und selbstverständlich Kontakt halten würden, falls nichts Unaufschiebbares dazwischenkam. Das erwies sich nun als ein Luftschloß. Er versuchte nicht, seine Enttäuschung zu verbergen. Was hätte ich ihm zum Trost sagen sollen? Mir fiel nicht viel ein; ich wiederholte nur, meine Entscheidung sei noch offen, und wenn die Nachricht von der Kanzlei da sei, würde ich auf jeden Fall zurückkommen und mit ihm feiern.
    Ach das, sagte er, das ist ein riskantes Spiel mit gezinkten Würfeln. Ich würde am liebsten gar nicht daran denken, aber es geht mir im Kopf herum.
    Es war sehr spät geworden, sogar für dieses Restaurant, das behauptete, erst um vier Uhr morgens zu schließen. Ich bezahlte die Rechnung. Das Funktaxi kam, und ich trug dem Fahrer auf, zuerst zur Trinité zu fahren, wo Henryin einem Apartment wohnte, das er mir nicht

Weitere Kostenlose Bücher