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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Konstruktionen, die Henry für ihn erfindet. Es lohnt sich, ihn kennenzulernen.

XXVIII
    Am nächsten Tag ging Edie mit Margot einkaufen, Henry war in seinem Büro, und ich aß mit George zu Mittag. Er zeigte mir neue Fotos von den Kindern und gab mir eine Aufnahme meiner Patentochter – im Halloween-Hexenkostüm – mit einem Silberrahmen von Tiffany, in den meine Initialen eingraviert waren. Das war mein Weihnachtsgeschenk. Irgendwann fragte ich nach Henrys neuem belgischen Mandanten.
    Meinst du Goldfinger? fragte er zurück. Henry sagt, so nennen ihn die Leute hinter seinem Rücken. Das weiß er natürlich, aber offenbar stört es ihn nicht.
    Ich präzisierte: den blonden Muskelprotz mit den abstehenden Ohren, den de Rham Comte Sowieso genannt habe.
    Richtig, sagte er, das ist Hubert de Sainte-Terre. Hast du seine Frau gesehen? Sie war auch da, sieht aus wie die Dame mit dem Einhorn. Hubert soll der reichste und einer der mächtigsten Männer in Belgien sein. Henry hat ihn handzahm gemacht. Im letzten Juli brachte er ihn dazu, unserer Gruppe den Auftrag für seine Vermögensplanung zu geben. Jetzt glauben die Partner in der Gruppe, daß Henry nichts falsch machen kann. Ein Beweis dafür ist, was Billy Rhinelander mir erzählt hat – er ist seit zwei Jahren dabei, also hat er mit gewählt: Diesmal sei nur einer einstimmig zum Partner gewählt worden. Rat mal, wer?
    Du, sagte ich.
    Nein, Bill hat mir ausdrücklich erklärt, daß es Henry war, obwohl ich, ehrlich gesagt, nicht glauben kann, daß irgend jemand gegen mich gestimmt hat. Oder vielleicht doch – einer dieser selbsternannten Zensoren, die immer gegen Vetternwirtschaft wettern.
    Ich zog die Augenbrauen hoch und fragte, seit wann er Onkel oder gar Vettern unter den Partnern habe.
    Natürlich habe ich keine. Wäre es anders, hätte ich keinen Fuß in die Tür bekommen, so strikt sind sie. Aber ich bin Hugh Bowditchs Schwiegersohn – ein zweischneidiges Schwert, das kannst du mir glauben. Einerseits wissen alle Partner, daß sie den Schwiegersohn eines Mannes, dem die Kanzlei dreißig Prozent ihrer Aufträge verdankt, praktisch nicht absägen können, es sei denn, sie hätten einen verdammt guten Grund – ich müßte richtig dämlich oder richtig faul sein oder Mist bauen –, aber andererseits läuten in einem Fall wie meinem alle Alarmglocken, weil Hugh soviel Einfluß hat. Sie fangen an zu fürchten, daß die Kanzlei sich zu abhängig von einem einzigen Mandanten macht, daß die anderen Mitarbeiter unfaire Bevorzugung wittern, und so weiter und so weiter. Gott sei Dank kann niemand sagen, daß ich keine gute Arbeit leiste oder nicht mitziehe, und mit meiner Stundenzahl stehe ich weit oben, auf gleicher Höhe mit den Leuten vom Gesellschaftsrecht.
    Henry fand noch Zeit für ein Abendessen mit mir, bevor ich nach Malta aufbrach, wo Tom Peabody und ich zusammen Weihnachten und Neujahr feiern wollten. Danach würde Tom wieder nach Cambridge fahren. Ich dachte daran, länger zu bleiben, wenn die Insel wirklich so attraktiv und das Klima so milde war, wie sie beschrieben wurden, vielleicht sogar bis zum Sommer, falls ich so viel Zeit brauchte, mein Buch abzuschließen.
    Henry hatte mich gebeten, ihn abzuholen, und ich fand ihn in dem Büro, das bald sein ehemaliger Arbeitsplatz sein würde – einem hübschen Raum mit einem Fenster zur Rue Royale. Er zeigte mir den Raum, in den er einziehen würde, sobald die Tapezierer die neuen Tapeten, aus Seide, nicht aus Papier, angebracht und der Schreiner die Mahagoni-Regale aufgebaut hatte. Das neue Büro hatte zwei Fenster mit Blickauf die Place de la Concorde, war fast so geräumig wie das Eckzimmer, in dem der alte de Rham saß, und genausogroß wie das Büro des anderen Gesellschaftsrecht-Partners, Dick Garland, der die Party im Maxim’s verpaßt hatte, weil er wegen einer Obligationsausgabe in Amsterdam sein mußte. Henry stellte mich diesem sympathisch aussehenden robusten Burschen vor, der vielleicht zehn Jahre älter war als wir. Wir begrüßten uns mit Handschlag, und als ich Henry anschaute und dann wieder Garland, konnte ich mir kaum das Lachen verbeißen. Auf den ersten Blick sah Henry inzwischen genauso aus wie Dick und George und sicherlich wie all die anderen ungefähr gleichaltrigen, gescheiten Wiggins-Partner. Aber wie tief ging diese Ähnlichkeit? Ich nahm an, daß er sich unter diesen zukünftigen großen Herrn New Yorks noch immer als Moses fühlte – ein Moses, der keinen Ägypter erschlagen

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